Nichts als Knochen
schwieg aber, als die Tür aufging und Karsten Gottschalck, der Leiter des KK 11, das Büro betrat. Er nickte grüßend, postierte sich zwischen Rebecca und Thomas am Schreibtisch und sah von einem zum anderen.
»Na, wie sieht 's aus? Gerade bei der Analyse des Obdachlosenfalles?«
Rebecca warf Thomas einen warnenden Blick zu und nickte rasch.
»Ja, wir haben noch mal die bisherigen Ermittlungsergebnisse zusammengetragen.«
»Und? Irgendwelche Neuigkeiten?«
Karsten sah mit diesem fordernden Blick auf Rebecca herab, der sie zu Beginn seiner Zeit als ihr Chef förmlich zur Weißglut gebracht hatte. Inzwischen war sie daran gewöhnt und reagierte gelassener. Trotzdem kam es ab und zu vor, dass sie eine bissige Bemerkung diesbezüglich fallen ließ, die Karsten stets mit einem breiten Grinsen erwiderte. Man hatte sich arrangiert, irgendwie.
Jetzt lächelte Rebecca charmant zu ihm hoch und entgegnete: »Aber Karsten, Sie wissen doch, dass ich Sie immer sofort informiere, sobald es Neuigkeiten gibt, die für einen Fall wichtig sind.«
»Das genau ist der Grund meines Kommens«, flötete Karsten mit blitzenden Augen, »offensichtlich haben wir mal wieder höchst unterschiedliche Auffassungen über die Begriffe ›sofort‹ und ›wichtig‹. Ich habe seit Auffinden der Leiche keinen Bericht mehr von Ihnen bekommen.«
Thomas lehnte sich zurück und sah die beiden erwartungsvoll an. Ähnliche Szenen hatte er schon ein Dutzend Mal erlebt, doch es war immer wieder amüsant. Es war eine Art Spiel zwischen Rebecca und ihrem Chef. Doch heute schien Rebecca keine Lust zum Spielen zu haben. Sie zuckte nur mit den Schultern und berichtete knapp, was sie in dem Fall bisher herausgefunden hatten. Karsten war sichtlich enttäuscht. Er genoss es mindestens so sehr wie Rebecca, sich mit ihr herumzuzanken. Als sie fertig war mit ihrem Bericht, sah er sie eine Weile aufmerksam an und schien zu überlegen. Schließlich schloss er halb die Augen und begann langsam und artikuliert zu sprechen.
»Also fassen wir mal zusammen. Der Mann ist durch den Sturz ums Leben gekommen. Ob dieser Sturz durch eine andere Person verursacht wurde, ist unklar. Es gibt einen mysteriösen Mönch, der nach Aussagen des Opfers ein ›falscher Mönch‹ sein soll. Die Suche nach diesem Mönch ist auch nach über zwei Wochen noch ergebnislos und scheint auch bei weiteren Bemühungen ohne Erfolg zu bleiben. Davon mal abgesehen, wissen wir auch überhaupt nicht, ob der Mönch wirklich etwas mit dem Tod des Mannes zu tun hatte, oder ob er vielleicht nur zufälliger Zeuge des Sturzes war. Es haben sich Faserspuren unter den Fingernägeln des Toten gefunden, die möglicherweise von einer Mönchskutte stammen könnten. Aber auch wenn es so wäre, könnten sie auch darauf zurückzuführen sein, dass der Mönch versucht hat, den Sturz zu verhindern. Letztendlich könnte es genauso gut ein Unfall oder ein Selbstmord sein. Wir wissen es nicht und so, wie ich die Dinge im Moment einschätze, werden wir es auch nie erfahren.
Alles in allem steckt der Fall in einer Ermittlungssackgasse, und es sieht nicht so aus, als ob sich noch irgendwo eine neue Spur ergeben würde. Deshalb halte ich es für sinnvoll, das Ganze abzuschließen. Falls sich bis Mitte nächster Woche nichts Neues ergibt, werden wir die Akte schließen. Wir haben noch andere ungelöste Fälle, die Erfolg versprechender sind.«
Karsten straffte die Schultern und sah seine beiden Mitarbeiter herausfordernd an.
»Noch irgendwelche Fragen?«
Rebecca zuckte nur die Achseln und schüttelte den Kopf. Thomas, der gerade Luft für eine Erwiderung geholt hatte, sah sie überrascht an.
Auch Karsten Gottschalck kniff ungläubig die Augen zusammen. Dann nickte er, drehte sich um und ging zur Tür. Bevor er sie hinter sich schloss, hielt er noch einmal inne und wandte sich um.
»Rebecca. Kommen Sie bitte noch in mein Büro.«
Damit ging er heraus, und Rebecca sah ihm resigniert hinterher. Sekundenlang rührte sich keiner. Dann stand Rebecca auf wie ein geprügelter Hund und folgte ihrem Chef langsam den Gang hinunter.
»Setzen Sie sich«, sagte Karsten, nachdem Rebecca den Raum betreten hatte. Sie nahm ihm gegenüber Platz, sah ihn an und bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Sekundenlang blitzten sie seine grünblauen Augen hinter den runden Brillengläsern herausfordernd an. Schließlich seufzte er, lehnte sich nach vorne und fragte: »Also raus damit. Was ist los mit Ihnen?«
»Wie?« Rebecca
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