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Nichts als Knochen

Nichts als Knochen

Titel: Nichts als Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felizitas Carmann
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welche die Grenze zwischen Abteikirche und Klausur bildeten. Seine Augen suchten die Reihe der Mönche ab, die vor ihm schon ihre Plätze im Chorgestühl eingenommen hatten, und blieben einen Moment an dem blonden Haarschopf von Bruder Andreas hängen. Rasch senkte er den Blick, ging zu seinem Platz und holte tief Luft, um in den ersten Choral einzustimmen.
    Andrea Walterscheidt verließ gut gelaunt ihre Altbauwohnung in der Luxemburger Straße und erreichte zusammen mit der Straßenbahn die Haltestelle Sülzburgstraße gegenüber. Schnell stieg sie in den vorderen Wagen ein, ohne den Mann zu bemerken, der gleichzeitig mit ihr hinten eingestiegen war. Nach wenigen Minuten hatte sie die paar Stationen bis zum Barbarossaplatz zurückgelegt, stieg aus und bahnte sich ihren Weg durch die Menge der Menschen, welche die Ringe entlang flanierten. Am Zülpicher Platz bog sie nach links in die Zülpicher Straße ein und erreichte kurz darauf die Engelbertstraße. Andrea liebte das Gewühl im Studentenviertel, und sie dachte immer noch mit ein wenig Wehmut an ihre Studienzeit zurück, die jetzt schon seit ein paar Jahren hinter ihr lag.
    Im Engelbät herrschte, wie immer um diese Zeit, bereits Hochbetrieb, und es duftete verführerisch nach den sensationellen Crêpes, welche pausenlos hinter der Theke gebacken wurden. Andreas Herz begann heftig zu schlagen, als sie den warmen Raum betrat, in dem Gelächter, Stimmengewirr und Musik um die akustische Vorherrschaft stritten. Einen Moment lang ließ sie ihren Blick umherschweifen. Dann entdeckte sie ihn an dem runden Tisch links am Fenster. Sie stieg die Holzstufe des kleinen Podests hoch und strahlte ihn an. Als sie ihn erreicht hatte, packte er mit der Linken ihren Nacken, zog sie zu sich herunter und gab ihr einen langen Kuss.
    »Da bist du ja endlich«, raunte er, »ich hab schon gedacht, du lässt mich sitzen.«
    Andrea lächelte und setzte sich neben ihn.
    »Hätte ich einen Grund dazu?«, fragte sie augenzwinkernd und registrierte ein kurzes Einfrieren seines Lächelns. Dann schüttelte er den Kopf und griff nach ihren Händen.
    »Nein«, antwortete er, »und den werde ich dir auch nicht geben.«
    Als sie ihn ansah, spürte sie wieder dieses Prickeln auf ihrer Haut, wie von tausend kleinen Insektenfüßen, nur dass sie dabei nicht an Insekten, sondern an seine Fingerspitzen denken musste. Tobias war nicht wirklich gut aussehend zu nennen, aber er hatte das gewisse Etwas. Er war groß und eher schlaksig als schlank, hatte eine undefinierbare Haarfarbe, und die eindrucksvolle Nase wollte nicht so recht in sein schmales Gesicht passen. Aber wenn er lachte, wusste Andrea nie so recht, ob sie mehr in seine Grübchen auf den Wangen oder in die fehlende Ecke am linken Schneidezahn verliebt war.
    Während sie auch diesmal darüber nachdachte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass jemand sie anstarrte. Sie konnte den Blick auf ihrem Körper spüren wie eine Berührung. Noch ehe sie irgendwie reagieren konnte, sah sie, dass Tobias an ihrem Kopf vorbeisah und einen Punkt hinter ihr fixierte. Sie spürte ihre Kehle trocken werden und drehte sich langsam auf ihrem Stuhl um.
    Jan!
    Er stand scheinbar unbeweglich hinter ihr und sah zwischen Andrea und Tobias hin und her. Aber sie kannte diesen Blick. Er stand kurz vor einer inneren Explosion. Seine Kiefer mahlten sichtbar gegeneinander, und seine Augen waren kaum mehr als Sehschlitze.
    »Wie kommst du hierher?«, fuhr Andrea ihn an. »Spionierst du mir nach?«
    »Ich hab dir doch gesagt, dass ich mir den vorknöpfen werde, der dir den Kopf verdreht hat, und dir zu folgen ist nicht besonders schwer.«
    Tobias lehnte sich entspannt auf seinem Stuhl zurück, als habe er mit der ganzen Situation nichts zu tun. Auf Jan musste das wie eine gezielte Provokation wirken. Andrea schnellte von ihrem Stuhl hoch und wollte sich zwischen die beiden stellen, doch Jan schob sie unsanft zur Seite. Im selben Augenblick sprang Tobias auf, und seine Rechte schloss sich um Jans Handgelenk.
    Jan war zwar ein ganzes Stück kleiner, aber wesentlich kräftiger und durchtrainierter als Tobias. Beide wussten das, und Jan sah sein Heil im Angriff. Doch bevor er seinem Gegner auch nur nahe genug für einen Schlag kam, hatte Tobias ihn schon mit einem gezielten Schwinger in den Solarplexus niedergestreckt. Während Jan noch nach Luft schnappte, hatten Andrea und Tobias das Engelbät schon verlassen und gingen zurück Richtung Zülpicher Platz.
    »Meine Güte«, murmelte

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