Nichts als Knochen
bedeutet, dass wir einen Großteil unseres Tages dem Gebet und der Arbeit widmen. Ein Grundsatz, dem sich auch unsere Gäste unterordnen, wenn auch mit Abstrichen.«
Krishna nickte und erhob sich ebenfalls.
»Da Sie derzeit unser einziger weltlicher Gast sind, wollte ich Sie nicht alleine in unserem Gästetrakt übernachten lassen. Wir haben noch ein paar leere Zellen im Josephsflügel, dem Wohntrakt für unsere Mönche. Dort habe ich Sie einquartiert, wenn es Ihnen recht ist.«
»Ja, natürlich.« Krishna griff nach seiner Tasche und folgte dem Abt, der mit langsamen Schritten den Raum verließ und im Flur nach links abbog.
»Übrigens vertrete ich die Ansicht, dass unsere Gäste, solange sie hier sind, möglichst unbehelligt von der Außenwelt sein sollten. Sofern Sie also Besitzer eines Handys sind, möchte ich Sie bitten, es mir auszuhändigen. Ich werde es bis zu Ihrer Abreise sicher für Sie verwahren.«
Krishna griff in seine Jackentasche und übergab dem Abt mit leichtem Bedauern sein Handy. Bruder Johannes ließ es geschickt in den Tiefen seines Gewandes verschwinden.
»Was sind Sie übrigens von Beruf?«, wollte er dann wissen.
»Ich bin Arzt«, entgegnete Krishna arglos.
»Gut, dann werde ich Sie Bruder Agricola zuordnen. Er ist in dem zum Kloster gehörigen Gutshof Herr über etwa dreihundert Rindviecher. Sie können ihn sicherlich tatkräftig unterstützen.«
»Ich bin Humanmediziner«, versuchte Krishna verzweifelt, das Unheil abzuwenden, »HNO-Arzt, um genau zu sein.«
»Das macht nichts. Ich bin sicher, die Umstellung wird nicht allzu groß sein, und auf unserer Krankenstation für die menschlichen Bewohner des Klosters fällt, dank der robusten Gesundheit meiner Mitbrüder, kaum Arbeit an. Und Arbeit gehört nun einmal untrennbar zu unserem Klosterleben dazu.«
»Ich weiß, ich weiß: ›Ora et labora‹.« Krishna seufzte resigniert und fragte sich, ob Rinder an Mittelohrentzündung erkranken konnten.
Sie hatten das Ende des Ganges erreicht, und Krishna konnte auf der linken Seite hinter einem Torbogen einen Kreuzgang erkennen.
»Dies ist der alte Teil des Klosters«, erklärte Abt Johannes, »wir gehen hier entlang, dann kann ich Ihnen gleich das Refektorium zeigen.«
Krishna folgte ihm den Kreuzgang entlang und warf dabei einen interessierten Blick durch die Öffnungen zwischen den Säulen.
»Hier rechts hinter dieser Tür befindet sich das Refektorium, der Speisesaal der Mönche. Hier wird in einer halben Stunde das Abendessen eingenommen. Während der Mahlzeiten herrscht Stillschweigen, bis auf den Mitbruder, der die Tischlesung vornimmt. Die anderen werden sowohl im leiblichen als auch im geistigen Sinne gespeist.«
Sie bogen rechts in einen düsteren Gang ein und blieben kurz darauf vor einer schmalen Holztür stehen. Der Abt öffnete die Tür, und Krishna betrat die kleine Klosterzelle. Die Einrichtung konnte mit einiger Berechtigung als schlicht bezeichnet werden. Es gab ein schmales Bett mit weißen Laken, einen schmucklosen Kleiderschrank und einen kleinen Holztisch, auf dem eine Bibel lag und eine altmodische Stehlampe mit einem vergilbten Schirm stand. Der einzige Wandschmuck bestand aus einem Kreuz über der Tür, und die dunkelblauen Vorhänge vor dem großen Fenster machten in diesem Umfeld schon fast einen ungehörig bunten Eindruck. Krishna betrachtete einen Augenblick den hellen Streifen, den das letzte Abendlicht auf den kleinen Tisch warf. Geistesabwesend nickte er Abt Johannes zu, der sich verabschiedete, und ließ sich auf das viel zu weiche Bett sinken. Was zum Teufel tat er eigentlich hier?
Gefährliche Geheimnisse
D arios Herz schlug laut und unkontrollierbar. Er hatte das Gefühl, dass alle anderen es in der Stille auch hören mussten. Aber ein prüfender Blick durch seine Wimpern hindurch sagte ihm, dass die anderen Mönche sich ungerührt weiter ihrem Abendbrot widmeten.
Die gleichförmige Stimme von Bruder Benedikt, der von der kleinen Kanzel herab ein Gleichnis aus dem neuen Testament vortrug, wurde nur von dem gelegentlichen Klirren von Löffeln gegen Porzellan gestört. Ansonsten herrschte absolute Ruhe in dem großen Refektorium. Es hätte eine nahezu perfekte Stille sein können, wäre da nicht dieses rhythmische Wummern in seiner Brust gewesen, das in dem Moment eingesetzt hatte, als Bruder Andreas sich auf dem Stuhl neben ihm niederließ.
Verstohlen beobachtete Dario, wie sein Tischnachbar sich ein Stück Brot in den Mund schob und wie die
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