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Nichts als Knochen

Nichts als Knochen

Titel: Nichts als Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felizitas Carmann
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Wasser. Sven hatte einige Mühe, bei dem Tempo, das der alte Abt vorlegte, mitzuhalten. Als sie schließlich den quadratischen Gebäudeteil erreichten, der die Bibliothek beherbergte, führte Bruder Johannes sie in einen Raum, der bis auf einige Tische und Stühle leer war.
    »Warten Sie bitte einen Augenblick hier, ich werde Bruder Andreas holen.«
    Der Abt verschwand, und Thomas sah kurz zu Sven herüber, der sich auf einen der Stühle gesetzt hatte.
    »Ich hasse es, Todesnachrichten zu überbringen«, sagte er dann gedämpft. Er trat seufzend ans Fenster und starrte hinaus in den kleinen Garten, der das Zentrum der Bibliotheksräume bildete. Es hatte aufgehört zu regnen, doch das Kreuz, das in der Mitte des Gartens stand, glänzte immer noch vor Nässe.
    »Irgendwer muss ja die Drecksarbeit machen. Dummerweise sind wir das meistens und selten Rebecca«, nörgelte Sven. »Ich möchte mal wissen, warum sie nicht mitgekommen ist.«
    »Ach, halt's Maul, sie hatte ihre Gründe.« Thomas war genervt und hatte keine Lust, sich zu allem Überfluss auch noch mit Sven herumzuzanken.
    »Na, du musst es ja wissen!«, giftete dieser zurück, und Thomas war fast froh, dass sich in diesem Moment die Tür öffnete und Bruder Johannes zusammen mit einem jungen, weizenblonden Mönch den Raum betrat. Die beiden kamen heran und blieben vor Thomas und Sven, der sich inzwischen erhoben hatte, stehen.
    »Dies sind die Herren von der Kripo, und das«, der Abt wies auf seinen jungen Begleiter, »ist Bruder Andreas.«
    »Herr Walterscheidt?«, fragte Thomas sicherheitshalber, und der blonde Mönch nickte.
    Sven und Thomas warfen sich einen kurzen Blick zu und sahen dann wie verabredet Bruder Johannes an.
    »Das ist in Ordnung«, sagte Bruder Andreas sofort, »ich habe keine Geheimnisse vor meinem Abt.«
    Thomas nickte und holte Luft.
    »Wie Sie wollen.« Er zögerte noch einen kurzen Augenblick, um die richtigen Worte ringend, dann sah er dem jungen Mönch in die klaren, blauen Augen und begann, langsam und leise zu sprechen.
    »Es tut mir sehr Leid, aber ich muss Ihnen eine traurige Nachricht überbringen. Ihre Schwester Andrea ist ermordet worden. Sie wurde heute Morgen zusammen mit einer männlichen Leiche tot in ihrer Wohnung aufgefunden.«
    »Was?« Es war kaum mehr als ein Flüstern, das aus der Kehle von Bruder Andreas drang. Dann holte er keuchend Luft, und seine linke Hand, die bisher in seiner Kutte verborgen gewesen war, tastete nach einem Halt und klammerte sich schließlich am Arm seines Abtes fest.
    »Was sagen Sie da?«, flüsterte er erneut, und sein verschwimmender Blick sprang zwischen Thomas und Sven hin und her, als sei er auf der Suche nach einer ungeheuerlichen Lüge, die da versuchte, sich Eintritt in sein Leben zu verschaffen. Doch alles, was er sah, war Mitleid und Wahrheit.
    »Es tut mir Leid«, wiederholte Thomas leise.
    Der alte Abt griff beherzt nach den Schultern seines Mitbruders und versuchte, ihn zu stützen. Ein Zittern durchlief den Körper des jungen Mönchs, und sein Atem ging rasselnd. Fahrig fuhr seine Rechte in sein Gewand und förderte nach einigen Sekunden, in denen er immer angestrengter atmete, ein kleines Fläschchen zu Tage. Ein paar Mal inhalierte er tief den Nebel aus der Sprühdüse, dann wurde sein Atem wieder ruhiger. Er ließ sich von Thomas und dem Abt zu einem Tisch führen, wo er sich setzte und die Hände vor den geöffneten Mund legte, um das Entsetzen zu verbergen, das plötzlich in seinem Inneren zu wohnen schien.
    »Wer hat das getan und warum?«, flüsterte er schließlich und sah mit flehenden Augen zu Thomas herüber, der sich neben ihn an den Tisch gesetzt hatte. Doch der große Mann mit den langen, roten Locken und den dunkelblauen Augen schüttelte nur langsam den Kopf.
    »Wir wissen es leider noch nicht. Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Ermittlungen. Aber vielleicht können Sie uns ja helfen, ein wenig Licht in das Leben Ihrer Schwester zu bringen.«
    Thomas sah erneut Tränen in den Augen des jungen Mönchs aufsteigen und beeilte sich hinzuzufügen: »Aber das muss nicht heute sein. Wir können auch in den nächsten Tagen noch einmal wiederkommen, um Ihnen unsere Fragen zu stellen, wenn Ihnen das lieber ist.«
    Aus dem Augenwinkel sah er, dass Sven ihm einen verzweifelten Seitenblick zuwarf und schon den Mund öffnete. Im selben Augenblick schüttelte Bruder Andreas den Kopf und sagte leise: »Nein, fragen Sie nur. Ich bin mindestens ebenso interessiert daran wie

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