Nichts als Knochen
mit ihrem neuen Freund prügeln wollte. Die Frage ist, wie groß seine Gewaltbereitschaft war. Groß genug für einen Mord?«
Einige Sekunden lang sagte niemand etwas.
»Es ist jedenfalls eine Möglichkeit, die vorstellbar ist«, warf Thomas ein. »Wenn man bedenkt, dass er schon früher zu Gewalttätigkeiten neigte.«
»Was könnte am Sonntagabend oder in der Nacht geschehen sein?«, fragte Christina. »Was wäre die wahrscheinlichste Möglichkeit?«
Martin räusperte sich und zwinkerte Christina zu, bevor er zu reden begann.
»Nehmen wir an, Jan ist den beiden rasend vor Eifersucht gefolgt. Als sie nach einem gemeinsam verbrachten Abend zu Andreas Wohnung kamen, hat er ihnen aufgelauert und zuerst Tobias erschossen und dann seine Ex-Freundin erwürgt. Klingt das logisch?«
Rebecca blätterte in Michaels Bericht und schüttelte den Kopf.
»So kann es nicht gewesen sein. Habt ihr den Bericht nicht gelesen? Hier steht, dass eines der Haare, die auf der Leiche von Andrea Walterscheidt gefunden wurden, von Tobias war. Sie trug eine sehr glatte Seidenbluse, und das Haar lag locker darauf, ohne dass es sich im Stoff verhakt hatte. Michael schreibt, dass es sofort heruntergerutscht ist, als er es mit der Pinzette berührte. Wir können also davon ausgehen, dass es auch heruntergerutscht wäre, wenn Andrea Walterscheidt noch gelebt und den Oberkörper aufgerichtet hätte. Das heißt, dass Andrea schon tot war, als Tobias' Haar auf ihren Körper gelangte. Höchstwahrscheinlich hat er sich über die Leiche gebeugt und dabei das Haar verloren. Jedenfalls muss er noch gelebt haben, als Andrea schon tot war.«
»Vielleicht hat Tobias sie ja auch selber umgebracht und dabei das Haar verloren.« Thomas' kräftige Stimme ließ die anderen aus ihren grüblerischen Gedanken aufschrecken. »Jan überrascht ihn auf frischer Tat und bringt den Mörder seiner Ex-Freundin um.«
»Das passt nicht zusammen!« Rebecca schüttelte den Kopf. »Warum sollte Tobias Andrea umgebracht haben? Die beiden waren frisch verliebt. Und wie sollte Jan währenddessen in die Wohnung gekommen sein, um Tobias auf frischer Tat zu ertappen? Und woher hatte er die Pistole, und wo ist die Schnur hin, mit der Tobias dann Andrea erwürgt hätte? In der Wohnung ist jedenfalls keine Schnur gefunden worden, die als Tatwaffe in Frage käme.«
Thomas schnaubte ärgerlich.
»Du musst doch nicht jede Hypothese gleich von vorneherein in ihre Einzelteile zerlegen. Vielleicht gibt es ja logische Erklärungen für deine Einwände.«
Rebecca verdrehte die Augen und seufzte.
»Tu mir einen Gefallen und hör auf, dich ständig überflüssigerweise mit mir herumzustreiten. Lasst uns die Dinge lieber mal logisch angehen. Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass Tobias Gutfeld noch gelebt hat, als Andrea Walterscheidt schon tot war. Es gibt aus momentaner Sicht keinen Grund, warum Tobias Andrea getötet haben sollte. Ein Motiv ist nicht ersichtlich. Es gibt aber ein Motiv für Jan: Eifersucht. Wenn wir also davon ausgehen, dass Jan die beiden aus Eifersucht umgebracht hat, dann muss er zuerst Andrea und dann Tobias getötet haben.«
»Und Tobias hat in aller Seelenruhe zugesehen, wie Jan seine Freundin erwürgt, und sich dann von ihm erschießen lassen? Auch nicht viel logischer als meine Theorie!«
Thomas verschränkte herausfordernd die Arme vor der Brust und sah Rebecca mit zusammengekniffenen Lippen an.
»Vielleicht war Tobias ja noch gar nicht in der Wohnung, als Andrea Walterscheidt starb. Hast du diese Möglichkeit schon mal in Betracht gezogen?«
Rebecca konnte an Thomas' Augen sehen, dass ihr Tonfall zu scharf gewesen war, aber sie war übermüdet und genervt und wollte nur noch, dass die Besprechung zügig zu brauchbaren Ergebnissen führte.
»Das wäre möglich«, gab Christina ihr Recht. »Andrea Walterscheidt ist allein in ihrer Wohnung, als Jan ihr einen Besuch abstattet. Vielleicht verschafft er sich gewaltsam Eintritt, oder er hat noch einen Wohnungsschlüssel, von dem sie nichts weiß. Es kommt zum Streit, und er erwürgt sie. Dann kommt Tobias dazu, und Jan hat keine andere Möglichkeit, als auch ihn zu töten. Vielleicht hatte er das ja von Anfang an so geplant.«
Rebecca blätterte wieder in dem Bericht, bis sie eine bestimmte Stelle fand, und las aufmerksam.
»Hier haben wir etwas, das dazu passt«, sagte sie dann. »In der rechten vorderen Hosentasche von Tobias befand sich ein einzelner Schlüssel der Wohnung. Außerdem steht hier, dass
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