Nichts als Knochen
dass wir Jan Zander festnehmen können. Dann werden wir weiter sehen.«
Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und wandte sich dann an Christina.
»Habt ihr sonst noch jemanden von den Nachbarn in der Luxemburger Straße befragt?«
»Ja, alle bis auf den, der im Erdgeschoss rechts wohnt. Der war immer noch nicht da. Aber von den anderen konnte keiner etwas zur Aufklärung beitragen. Außerdem scheinen sie alle wasserdichte Alibis zu haben.«
»Okay, dann werden Thomas und ich gleich noch mal in der Luxemburger Straße vorbeifahren und sehen, ob der Mann aus dem Erdgeschoss jetzt zu Hause ist. Dabei können wir auch gleich nach dem Versteck des Schlüssels suchen. Ihr beide werdet jetzt zuerst mal zu dem Kollegen vom Drogendezernat gehen und hören, was der euch über Tobias Gutfeld sagen kann. Danach löst ihr um ein Uhr Sven und Torsten bei der Observierung ab. Die beiden können dann mal zur Wohnung von Tobias fahren. Die Adresse müssen sie sich selbst besorgen. Und sie sollen Michael oder sonst jemanden vom Erkennungsdienst mitnehmen. Alles klar so weit?«
Thomas ließ ein undefinierbares Grunzen hören und stand auf. Die anderen folgten ihm.
Christina und Martin stiegen die Treppe hinunter und betraten kurz darauf den Flur, der das Drogendezernat beherbergte. Als sie die richtige Tür öffneten, fanden sie das Büro dahinter nahezu verwaist. Nur an einem Schreibtisch saß ein weißhaariger Mann um die fünfzig und zog hingebungsvoll an einer Gauloise ohne Filter. Christina und Martin stellten sich vor, und der Mann wies wortlos auf zwei Stühle, die in der Nähe standen. Nachdem die beiden sich gesetzt hatten, zog er noch einmal bedauernd an dem Zigarettenstummel, der ihm fast die Finger versengte, und wandte sich dann an seine Besucher: »Mein Name ist Karl Lebowsky. Ich bin Gruppenleiter hier. Also, wo brennt 's denn? Was kann ich für Sie tun?«
»Tja, vielleicht brennt ja gar nichts«, begann Christina und beobachtete interessiert, wie die nikotingelben Finger zielsicher den glimmenden Tabak zum Erlöschen brachten.
»Aber vielleicht könnten Sie uns bei einem Mordfall behilflich sein, an dem wir gerade arbeiten. Es handelt sich um einen Doppelmord an einem jungen Paar. Beim Vergleich der Fingerabdrücke der männlichen Leiche haben wir festgestellt, dass er schon einmal auffällig geworden ist. Sein Name ist Tobias Gutfeld, Drogenhandel. Er hat eine Haftstrafe verbüßt und ist vor einem Jahr vorzeitig entlassen worden.«
Lebowsky, der während Christinas Rede eine neue Zigarette aus der Packung geschüttelt hatte, griff nach seinem Feuerzeug, zündete sie an und inhalierte tief. Dann sagte er: »Und einen Tag nach seiner Entlassung hat er schon wieder gedealt.«
»Sie kennen ihn also?« Martin hob fragend die Brauen.
»Klar«, Lebowsky nickte, »irgendwie kennt man schließlich alle seine Pappenheimer, nicht wahr?«
Als Christina und Martin nicht antworteten, fuhr er achselzuckend fort: »Na ja, bei euch ist das wahrscheinlich was anderes. Wenn ihr einen schnappt, wird der sofort lebenslänglich weggesperrt. Den seht ihr so bald nicht wieder.«
»Das passiert eigentlich gar nicht mal so oft«, entgegnete Christina schnell. »Aber was ist mit Tobias Gutfeld? Können Sie uns sagen, was er im letzten Jahr so alles gemacht hat, zu wem er Kontakt hatte, ob er Feinde hatte?«
Lebowsky lachte kurz auf.
»Die haben alle Feinde, glauben Sie mir! Tobias Gutfeld gehörte zum Ringmilieu, und zwar zum türkischen Teil.«
Er sah in die fragenden Gesichter der beiden und hob zu einer längeren Erklärung an.
»Die gesamten Ringe und die meisten der Bars, Diskotheken, Sexshops, Kneipen und Restaurants sind in der Hand von zwei verfeindeten Lagern: den Türken und den Arabern. Die haben sich die Flaniermeile fein säuberlich untereinander aufgeteilt, und die machen natürlich ihre Geschäfte mit allem, was lukrativ und nicht erlaubt ist: Schutzgelderpressung, Prostitution und – man ahnt es schon – auch Drogen. Ihre Anführer nennen sich die Könige der Ringe, und einer der Bosse aus dem türkischen Lager ist Bülent Özer. In seinem Dunstkreis war Tobias Gutfeld zu finden.«
»Was können Sie uns über Tobias sagen?« Christina sah ihn erwartungsvoll an.
»Ich? Fast nichts. Damit Sie an die Leute nahe genug herankommen, um viel über sie zu wissen, müssen Sie schon einen Maulwurf dort haben.«
»Und? Haben Sie einen Maulwurf?«
Christina sah ihm direkt in die Augen und hielt die Luft an.
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