Nichts als Knochen
Unterwäsche und blinzelte sie an.
»Was'n los?«, nuschelte er und gähnte hinter vorgehaltener Hand.
»Stockhausen ist mein Name, Kripo Köln. Das ist meine Kollegin Frau Huthmacher. Wir ermitteln in dem Mordfall, der sich hier im Haus ereignet hat.«
Thomas steckte seinen Dienstausweis wieder weg und sah den Mann, dessen Augen sich langsam, aber stetig öffneten, an.
»Mordfall? Was denn für ein Mordfall?«
»Frau Walterscheidt aus dem dritten Stock und ihr Freund sind vorgestern tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden. Haben Sie noch nichts davon gehört?«
»Nein, mir hat keiner was gesagt. Ich hab allerdings auch niemanden gesehen. Das ist ja eine furchtbare Sache. Die junge Frau war immer so freundlich. Weiß man schon, wer es war?«
»Wie gesagt, wir ermitteln noch. Wo waren Sie zwischen Sonntagabend sechs und Montagmorgen zehn Uhr?«
»Ist das die Tatzeit?« Der Mann sah gierig von Thomas zu Rebecca und wieder zurück. Als Thomas auf die Frage nicht reagierte, kratzte er sich am Kopf und legte die Stirn in Falten.
»Ich hab die ganze Woche Nachtschicht gehabt«, sagte er dann, »das heißt also, ich hab am Sonntagabend das Haus um Viertel nach neun verlassen und kam am Montagmorgen um Viertel nach sieben zurück. Danach hab ich mich gleich hingelegt.«
»Was haben Sie gemacht, bevor Sie am Sonntag das Haus verließen?«
»Bestimmt zwei Stunden mit meiner Freundin telefoniert. Wollen Sie ihre Personalien?«
»Ja, wir werden das überprüfen.« Thomas zog einen Notizblock hervor und notierte die nötigen Informationen.
»Bin ich jetzt verdächtig?« Der Mann grinste.
»Reine Routine«, entgegnete Thomas knapp. »Haben Sie in der fraglichen Zeit irgendwas Ungewöhnliches bemerkt, oder haben Sie jemanden im Haus gesehen?«
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Nein, nichts. Das heißt … da war ein Mann, der hineinging, als ich am Sonntagabend das Haus verließ.«
»Wie sah der Mann aus?«
»Ich weiß nicht genau, ziemlich groß und dünn. Eher so'n unscheinbarer Typ.«
»Und er ging rein, als Sie rauskamen? Er benutzte also keinen Schlüssel?«
»Nee, der wohnte nicht hier. Ich hab ihn jedenfalls noch nie hier gesehen.«
Thomas zog ein Foto von Tobias Gutfeld hervor und zeigte es dem Mann.
»Könnte er das sein?«
Der Mann beäugte das Bild zweifelnd und reichte es dann zurück.
»Ja, das könnte er schon gewesen sein, aber wie gesagt, ich hab ihn nur ganz kurz gesehen und vorher noch nie. Aber vom Typ her könnte es hinkommen.«
»Gut. Vielen Dank erst mal. Falls wir noch Fragen haben, kommen wir noch mal auf Sie zurück.«
»Allzeit bereit.«
Der Mann tippte sich grüßend an die Stirn und zog sich mit schlurfenden Schritten in seine Wohnung zurück.
Ohne sich weiter um Rebecca zu kümmern, die während der ganzen Zeit nichts gesagt hatte, stieg Thomas zielstrebig die Treppe bis zum dritten Stock herauf. Vor der versiegelten Tür von Andrea Walterscheidts Wohnung blieb er stehen und ließ seinen Blick über die Fußmatte und den Blumentopf mit der verkümmerten Birkenfeige schweifen, während er sich langsam ein paar Gummihandschuhe anzog. Dann hefteten sich seine dunkelblauen Augen auf das Oberlicht über der Wohnungstür. Vorsichtig legte er die behandschuhten Hände auf die äußersten Punkte des Vorsprungs und zog sich in einem langsamen Klimmzug nach oben, wobei er aufgrund seiner Körpergröße keine besonders große Strecke zurücklegen musste. Als sein Kopf auf Höhe des Oberlichts war und er den Vorsprung überblicken konnte, sagte er leise: »Hier ist es. Hier hat der Ersatzwohnungsschlüssel gelegen, und hier sind auch Fingerabdrücke im Staub. Vermutlich die von Tobias Gutfeld.«
»Vermutlich«, ließ Rebecca sich zum ersten Mal seit zwanzig Minuten vernehmen.
»Darum kann Michael sich kümmern.«
Thomas ließ sich wieder auf die Füße herunter und drehte sich ohne ein weiteres Wort zur Treppe.
Rebecca las Rudolfs Obduktionsbericht jetzt zum zweiten Mal, konnte aber nichts entdecken, was sie weiterbrachte.
Der Tod von Tobias Gutfeld war durch den Kopfschuss hervorgerufen worden. Das Projektil war ein handelsübliches, das man überall im Fachhandel bekam. Die Schmauchspuren am Einschussloch an der rechten Schläfe und die Ballistikuntersuchung wiesen auf den Gebrauch eines Schalldämpfers hin, was erklärte, dass keiner im Haus den Schuss gehört hatte. Sein linker Oberarm war gebrochen, vermutlich hatte ihm der Täter den Arm auf den Rücken gerissen, bevor er den
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