Nichts als Knochen
Geständnisbereitschaft von Jan Zander betrifft. Wir werden ihn laufen lassen müssen.«
»Aber der Kerl lügt doch wie gedruckt!«, rief Sven aufgebracht.
»Möglich, aber er hat Recht: Wir können ihm nichts nachweisen. Seine Geschichte liefert eine plausible Erklärung für die Spuren am Tatort, und auch wenn seine Reaktion beim Auffinden der Leichen ungewöhnlich war, so ist auch hier seine Erklärung eine mögliche Alternative. Du wirst keinen Haftrichter finden, der einen Haftbefehl ausstellt.«
»Verdammt noch mal!« Sven schlug mit der Faust auf den Tisch und sah Rebecca wütend an. »Lass ihn uns wenigstens beschatten. Früher oder später wird er einen Fehler machen. Vielleicht führt er uns ja doch noch zu dem Versteck der Tatwaffe.«
Rebecca seufzte und sah ihn lange an.
»Also gut«, sagte sie dann, »aber reine Beschattung! Wir werden ihn einzeln und in Achtstundenschichten beobachten. Sven, du kannst ihn heute Abend um zehn laufen lassen und dich an ihn dranhängen. Um sechs Uhr morgen früh wird Torsten dich ablösen, um zwei übernimmt Knut, danach sehen wir weiter.«
Sven nickte zufrieden und bewegte sich Richtung Tür, wo er sich noch einmal umdrehte und verkündete: »Ich bin sicher, er macht irgendwann einen Fehler, und bis dahin werden wir an seinem Hintern hängen wie ein Furunkel.«
Folgenschwere Begegnungen
M artin betrachtete Christina von allen Seiten und lächelte fasziniert.
»Perfekt! Einfach perfekt! Ich würde dich nicht erkennen, wenn wir uns auf der Straße begegneten.«
Sein Blick glitt von den wild toupierten und schwarz gefärbten Haaren über die tiefen Schatten unter den Augen und blieb an den zahlreichen Ringen hängen, welche ihre rechte Ohrmuschel zierten.
»Sind die Piercings echt?«
»Nur die unteren beiden, die anderen sind zum Klemmen.«
»Und die Klamotten? Wo hast du die her?«
»Second Hand Punkerzubehör.«
»Verstehe. Jedenfalls finde ich dein Outfit höchst authentisch, und der nächste Karneval kommt bestimmt. Wann triffst du den Maulwurf?«
»Um zehn am Neumarkt. Hoffentlich erkennt er mich. Nach Lebowskys wirrer Beschreibung werde ich ihn eher nicht erkennen.«
»Habt ihr ein Codewort vereinbart?«
»Ja, Pizzataxi! Echt bescheuert!«
Sie warf einen Blick auf die Uhr an der Wand in ihrem Wohnzimmer und wandte sich zum Gehen.
»Ich muss los. Willst du hier warten?«
»Nein, ich bin noch zum Kino verabredet. Wir sehen uns morgen im Büro. Viel Glück!«
Eine halbe Stunde später fuhr Christina mit der Rolltreppe vom U-Bahn-Tunnel hoch zum Neumarkt und bemühte sich, möglichst fertig auszusehen. Mit halb geschlossenen Augen wankte sie an der Dönerbude vorbei und hielt Ausschau. Da vorne, der dunkelhaarige Typ, der seine Zigarette raucht wie John Wayne, das könnte er sein. Mit unsicheren Schritten ging sie auf ihn zu, blieb vor ihm stehen und sah in sein angeekeltes Gesicht.
»Pizzataxi?«, fragte sie hoffnungsvoll. Er runzelte verständnislos die Stirn und blies ihr den Rauch mitten ins Gesicht.
»Zieh Leine, Alte, am besten zurück in die Gosse, aus der du gekrochen bist.«
Angewidert drehte er sich um und ging zehn Meter weiter. Verdattert blieb Christina zurück und murmelte: »Volltreffer.«
»Du siehst doch so aus, als wärst du scharf auf ein bisschen Speed!«
Die tiefe Stimme hinter ihr hatte leise gesprochen. Langsam drehte Christina sich um und musterte ihr Gegenüber. Schwarze, gegelte Haare, runde, dunkle Augen, Adlernase, ein kleiner Mund mit schmalen Lippen, und das ganze Gesicht war eher hohlwangig als oval zu nennen.
»Speed krieg ich von jedem Pizzataxi«, entgegnete sie dann mit zusammengekniffenen Augen und taxierte ihn aufmerksam, »hast du nichts Besseres?«
Er sah sie einige Sekunden lang an, ohne dass er einen Gesichtsmuskel bewegte, und sagte dann leise: »Hallo Christina, nett dich kennen zu lernen. Verhalte dich bitte die ganze Zeit, während wir reden, so wie eine Fixerin, die ganz wild auf ihren nächsten Schuss ist.«
»Hallo, Mehmet. Ich werd mir Mühe geben«, entgegnete Christina, schloss die Augen halb und wankte leicht hin und her.
»Also, was willst du wissen?«
»Alles, was du über Tobias Gutfeld weißt.«
»Tobias hatte hier ziemlichen Ärger.«
»Ärger? Was für einen Ärger?«
Mehmet schüttelte den Kopf, drehte sich um und ging ein paar Schritte davon. Christina folgte ihm mit unsicheren Schritten, zog ihn am Ärmel, als sie ihn eingeholt hatte, und er drehte sich wieder zu ihr um.
»Du
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