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Nichts als Knochen

Nichts als Knochen

Titel: Nichts als Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felizitas Carmann
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gefolgt, als sie nach Hause fuhr. Ich hab einfach ein Auto auf dem Besucherparkplatz geknackt und bin ihr bis nach Köln gefolgt. Niemand hat mich aufgehalten, und sie hat nicht bemerkt, dass ich ihr folgte. Ich schlüpfte unbemerkt hinter ihr ins Haus und schlich leise die Treppe hinauf, bis sie im Dachgeschoss in ihrer Wohnung verschwand. Eine viertel Stunde lang hab ich vor ihrer Wohnungstür auf der Treppe gesessen und überlegt. Dann habe ich beschlossen, mit ihr zu reden. Wenn sie tatsächlich von dem Geheimnis wusste, musste ich unter allen Umständen verhindern, dass sie es weitererzählte. Es war einfach zu wichtig! Ich musste unbedingt wissen, wie viel Andreas ihr gesagt hatte. Sie war überrascht, als sie mir die Tür öffnete, hat mich aber hereingelassen. Hätte sie's doch nicht getan!«
    Bruder Giordano seufzte tief, und einen Augenblick lang glaubte Krishna, er würde nicht mehr weiterreden. Doch dann machte er auf dem Boden eine Vierteldrehung nach links und sah Krishna in die Augen.
    »Ich wollte sie nicht umbringen, verstehen Sie? Ich wollte nur mit ihr reden und herausfinden, wie viel sie wusste, das müssen Sie mir glauben! Ich wollte sie zum Schweigen bringen, wenn sie zu viel wusste. Das schon. Aber nicht töten. Nur einschüchtern!«
    Sein Blick wurde beschwörend und bittend zugleich, dann wandte er ihn ab.
    »Wir haben eine Weile geredet, und dann habe ich das Gespräch auf ihr Treffen am Laacher See und das Holzkästchen gelenkt. Sie ist meinen Fragen ausgewichen und hat sich dumm gestellt. Es war klar, dass sie Bescheid wusste. Und dann habe ich eine Bemerkung fallen lassen, die andeutete, dass da etwas sei zwischen ihr und Bruder Andreas. Sie hat mich nur völlig verständnislos und mit unschuldigem Augenaufschlag angesehen, und da brodelte auf einmal die Wut in mir hoch, und ich hab sie angefahren, dass ich alles gesehen habe und genau wusste, dass sie ihn verführen wollte.«
    »Wie hat sie reagiert?«, fragte Krishna leise.
    Bruder Giordano sah auf seine Hände, deren Finger sich ineinander verhakten, und antwortete, ohne aufzusehen: »Sie hat gelacht. Sie hat mich lauthals ausgelacht. Und ich dachte, da lacht mich die Fratze des Teufels an. Der große Verführer in der Gestalt einer Eva, die Bruder Andreas dazu gebracht hatte, von ihrem Apfel zu probieren. Ich war sicher, dass sie gehabt hatte, was ich nicht haben durfte, doch sie sollte ihn nicht behalten dürfen. Auf keinen Fall!«
    Er atmete tief aus und wischte sich mit dem Ärmel seiner Kutte über das Gesicht. Als der Ärmel dabei bis zum Ellenbogen rutschte, registrierte Krishna die mit Schorf bedeckten Striemen auf dem Unterarm. Dario schloss kurz die Augen und fuhr leise fort.
    »Und es war sowieso besser so. Sie durfte nichts von dem, was sie wusste, weitererzählen. Kein Wort! Aber wie sollte ich es verhindern? Womit sollte ich ihr drohen, wo sie mir doch gerade erst ins Gesicht gelacht hatte, dass sie mich überhaupt nicht ernst nahm? Im Grunde hatte ich gar keine andere Wahl.«
    »Wie haben Sie …?« Krishna brachte es nicht fertig, die Frage zu vollenden.
    »Da stand ein Wäscheständer, auf dem ein Kleid trocknete.« Bruder Giordanos Stimme klang müde. »Es war so etwas Grobgewebtes, Naturfarbenes. Daneben hing eine grob gedrehte Kordel, die wohl als Gürtel zu dem Kleid benutzt wurde. Ich griff danach, ohne zu zögern. Zuerst konnte sie sich noch befreien und flüchtete ins Schlafzimmer. Doch ich war direkt hinter ihr. Ich habe sie aufs Bett geworfen, mich auf sie gestürzt und sie erwürgt. Sie hat sich heftig gewehrt. Ihre Hände versuchten, meine Arme abzuwehren, und sie zerkratzte mir die Haut auf den Unterarmen, als sie mit den Fingern in die weiten Ärmel meiner Kutte geriet. Aber ich habe nicht losgelassen. Ich habe die Augen geschlossen und weiter an dem Gürtel gezerrt. In diesem Augenblick habe ich gedacht, dass es absolut unumgänglich sei. Erst später habe ich erfahren, dass sie seine Zwillingsschwester war. Hätte ich es vorher gewusst, vielleicht wäre mein Hass nicht so groß gewesen, und ich hätte es nicht getan, sondern nach einer anderen Lösung gesucht, wer weiß.«
    Krishna bewegte vorsichtig seine Arme, die anfingen einzuschlafen, und versuchte, klar zu denken.
    »Hören Sie«, fing er dann an, »was geschehen ist, ist geschehen. Sie können die Dinge nicht rückgängig machen, auch wenn es Ihnen Leid tut. Aber Sie können Verantwortung übernehmen für das, was Sie getan haben, und dafür

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