Nichts als Knochen
Holzkästchen hängen blieb, das neben ihm auf dem Regal lag.
»Und was haben Sie jetzt vor?«, fragte Krishna und sah den Mönch unter halb gesenkten Lidern an.
»Sie meinen, mit Ihnen? Oh, keine Angst, ich werde Sie nicht umbringen, falls Sie das befürchten.«
»Wie beruhigend.«
»Allerdings werden Sie verstehen, dass die nächsten vierundzwanzig Stunden für Sie nicht ganz angenehm sein werden. Ich muss sicherstellen, dass ich unbehelligt abreisen kann. Bis dahin werden Sie hier bleiben, gefesselt und geknebelt.«
»Sie reisen ab?« Krishna zog leicht die Brauen nach oben und bereute es sofort, als jemand mit einem Vorschlaghammer von innen gegen seine Schädeldecke zu hämmern schien.
»Ja. Morgen ganz früh fliege ich zurück nach Rom. Ich habe mich von Abt Johannes und den anderen heute Nachmittag schon verabschiedet. Das Allerwichtigste ist jetzt, dass ich dies hier in den Vatikan bringe.« Er legte eine Hand auf das Holzkästchen im Regal und lächelte zufrieden. »Sobald ich es in die richtigen Hände abgegeben habe, werde ich hier im Kloster anrufen und dafür sorgen, dass man Sie befreit.«
»Und dann? Man wird Sie zur Verantwortung ziehen für das, was Sie getan haben.«
»Pah!« Bruder Giordano machte eine wegwerfende Handbewegung und kam auf die Beine. »Ich habe mächtige Freunde im Vatikan, die ihre schützenden Hände über mir ausbreiten werden. Und der Erfolg meiner Mission war eine Beule an Ihrem Hinterkopf und eine unbequeme Nacht allemal wert.«
Er griff nach dem Holzkästchen und verstaute es in seinem Gewand.
»War Ihre Mission es auch wert, dass ein Mensch dafür gestorben ist?«
Krishnas dunkle Augen funkelten in dem trüben Licht des Kellerraums. Er hatte gesprochen, ohne darüber nachzudenken. Der von der Brücke stürzende Obdachlose war ihm durch den Kopf geschossen und dass Rebecca vermutete, dass Bruder Giordano etwas damit zu tun hatte. Jetzt lag er hier, auf dem kalten Steinfußboden, und starrte in die gehetzten Augen des falschen Mönchs, der bei seinen Worten zusammengezuckt und einen Schritt rückwärts gestolpert war, als habe ihm jemand einen Tritt versetzt. Und plötzlich wurde Krishna die Hilflosigkeit seiner eigenen Situation klar.
»Was? Woher wissen Sie …?« Bruder Giordano keuchte und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an, doch Krishna schwieg. Fieberhaft überlegte er, wie er einen möglichen Angriff auf sein Leben nur mit den Beinen abwehren sollte. Ein halbherziger Versuch, seine Hände aus der Umklammerung des Klebebandes zu befreien, endete kläglich.
Auf einmal sackte der junge Mönch in sich zusammen und sah sehr verletzlich aus. Er kauerte am Boden und hatte die Arme um die Knie geschlungen. Seine Stimme klang gedämpft hinter den Händen, die er vors Gesicht geschlagen hatte. Trotzdem konnte Krishna ihn deutlich hören.
»Ich wusste nicht, dass es seine Zwillingsschwester war«, stieß er hervor, »ich dachte, sie habe ihn verführt!«
Krishna wagte nicht zu atmen, geschweige denn etwas zu erwidern. Er spürte seinen Puls rasen, und der latente Schwindel in seinem Kopf drohte übermächtig zu werden. Verdammt, was ging hier vor? Er hatte eine Lawine losgetreten und lief Gefahr, darunter begraben zu werden.
»Sie waren so vertraut miteinander«, fuhr Bruder Giordano fort, während er langsam seine Finger vom Gesicht nahm und an die geweißte Wand der Schatzkammer starrte. »Ich habe sie beobachtet, unten am See, als sie ihn an diesem Sonntag besucht hatte. Sie haben sich ständig berührt und angelächelt.« Der Mönch kniff Augen und Lippen zusammen, und ein Ausdruck von Missgunst legte sich über sein junges Gesicht. »Sie war ihm so nah, wie ich es nie gewesen bin und jetzt auch niemals mehr sein werde!« Er hatte seine Stimme erhoben, und sein Gesicht war leicht gerötet. Krishna sah weiter schweigend sein Profil an. Nach einer Weile fuhr Bruder Giordano mit leiser Stimme fort.
»Ich war wie betäubt. Ich konnte nicht glauben, was ich sah, und doch war es so. Ich sah Liebe in seinen Augen, wenn er sie ansah.« Langsam schüttelte er den Kopf. »So viel Liebe.« Seine Stimme war nur noch ein Flüstern, und Krishna musste die Ohren spitzen, um alles zu verstehen.
»Und dann hat er ihr das Holzkästchen gezeigt, einfach so.«
»Was ist das für ein Kästchen?«, warf Krishna mutig ein, doch Bruder Giordano ging nicht auf die Frage ein.
»Als wenn sie es wert wäre, dass er jedes noch so große Geheimnis mit ihr teilt. Ich bin ihr
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