Nichts bleibt verborgen
Nygaard unverzagt fort. »Ich meine, wer kommt denn auf so was?«
»Tja, wer kommt auf so was«, wiederholte Ohlsen mit einem Anflug von Ironie. Zwar gab es für Nygaards Theorie wie üblich nicht den geringsten Anhaltspunkt, doch musste der Hauptkommissar im Stillen zugeben, dass der Polizeipsychologe in all den Jahren schon weitaus größeren Stuss von sich gegeben hatte.
Kapitel 5
Alexander konnte es kaum erwarten, seinen Freunden die sensationelle Neuigkeit zu überbringen. Noch während des Unterrichts verständigte er sich mit ihnen darauf, in der großen Pause den Sportplatz aufzusuchen, wo sie relativ ungestört sein würden.
»Wieso den Sportplatz?«, flüsterte Elias.
»Wart’s ab!«
So latschten sie also um zwanzig nach elf zu fünft in Richtung Sportgelände. Vier Jungen und ein Mädchen. Nicht dass Franziska besonderen Wert darauf legte, die Freizeit mit ihrem Zwillingsbruder zu verbringen oder Mitglied einer Jungenclique zu sein. Doch zum einen fehlte ihr nach wie vor eine beste Freundin und zum anderen gab es da diesen Jungen, dessen Name mit A anfing und mit lexander aufhörte …
»Jetzt mach’s nicht so spannend«, drängte Lukas, während sie sich auf dem rappelvollen Schulhof einen Weg durch die Menge bahnten. »Könntest uns jedenfalls schon mal verraten, worum es geht.«
Statt zu antworten, blickte Alexander demonstrativ zu Magnus hinüber, der wie üblich mit irgendwelchen coolen Typen aus der Zehnten herumstand und die Hände in den Taschen vergraben hatte.
»Ah, du hast was Neues über unseren Millionenerben herausgefunden!«, platzte es aus Elias heraus.
Magnus drehte kurz seinen Kopf in ihre Richtung, behielt aber sein bekanntes Pokerface bei, dem man nicht die geringste Regung ansah. Wenn es einen Experten darin gab, sich nicht in die Karten gucken zu lassen, dann war es Magnus.
»Sag mal, geht’s noch lauter?«, zischte Alexander und verdrehte die Augen.
Sie hatten das hohe Eisentor noch nicht erreicht, da hörten sie bereits Kaupangs schnarrende Stimme irgendwelche Kommandos rufen. Als sie Sekunden später die ungepflegte Rasenfläche betraten, sahen sie ihren strengen Sportlehrer mit vor der Brust verschränkten Armen im Mittelkreis des Fußballplatzes stehen. Er trug einen dunkelblauen Trainingsanzug und schien missmutig die langen Halme zu betrach ten. Wahrscheinlich ärgerte er sich darüber, dass Hausmeister Gulliksen, dieser notorische Faulpelz, seit Ewigkeiten den Rasen nicht mehr gemäht hatte. Zwischendurch kommandierte Kaupang zwei Schüler herum, die rot-weiß gestreifte Hütchen auf dem Feld verteilten, vermutlich in Vorbereitung seines berüchtigten Zirkeltrainings. Ansonsten war auf dem Sportgelände niemand zu sehen.
Sie drängten sich nahe am Maschendrahtzaun zusammen, gaben sich jedoch Mühe, nicht allzu verschwörerisch auszusehen. Alexander ließ sich nicht lange bitten. »Ihr wisst doch, dass meine Mutter gerade auf Sizilien ist, also hab ich sie vorhin mal auf WhatsApp gefragt, ob sie zufällig die Familie Granberg kennt.«
»Und?«, fragte ein vierstimmiger Chor.
»Kennt sie«, antwortete er knapp. »Und jetzt ratet mal, woher die ihre ganze Kohle haben.«
Håkon zuckte die Schultern. »Immobilien, Aktien, keine Ahnung.«
»Vielleicht ein fetter Lottogewinn«, mutmaßte Franziska.
Alexander schüttelte den Kopf. »Weitere Vorschläge?«
»Schätze, die sind kriminell«, sagte Elias leichthin. »Irgendwas mit Waffen oder Drogen. Bei denen stinkt’s doch im ganzen Haus nach Dope.«
Alexander ließ grinsend die Katze aus dem Sack. »Staubsauger.«
»Hä? Willst du uns verarschen?«, fragte Lukas.
»Ganz im Ernst, die haben ein Staubsaugerimperium.« Alexander betonte jede einzelne Silbe des langen Wortes. »Moment, ich zeig’s euch.« Er öffnete WhatsApp, klickte den Chat mit seiner Mutter an und begann laut zu lesen: » Lieber Alex, du weißt ja, dass ich eigentlich nie schlecht über andere Leute rede, aber bei den Granbergs mache ich gern eine Ausnahme. Das sind nämlich neureiche Schnösel, die mit ihren patentierten Reinigungsgeräten ein Vermögen gemacht haben. Bornierte Snobs, die manchmal …«
»Was?«, unterbrach ihn Lukas.
»Snobs«, wiederholte Alexander.
»Nee, das andere Wort.«
»Borniert.«
»Und was heißt das?«
»Eingebildet.«
»Aha.«
»Komm, Alex, lies weiter«, bat Franziska.
» Bornierte Snobs, die manchmal in irgendwelchen Klatschmagazinen auftauchen, weil sie sich für wichtiger halten als die
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