Nichts bleibt verborgen
weitere Duftkreationen mit Namen wie Tausendundeine Nacht , Winterharmonie , Liebeszauber etc. erschienen.
»Also gegen eine Privatvorführung von Magnus hätte ich nichts einzuwenden«, bemerkte Mia vielsagend.
»Sag bloß, du stehst auf den Typen«, entgegnete Lukas.
»Das hab ich nicht gesagt«, erwiderte sie. »Aber einen Versuch wäre er allemal wert.«
»Mach dir bloß keine Hoffnungen«, schaltete sich Elias ein. »Magnus ist schon vergeben.«
»Was?«, rief Mia so laut, dass es im ganzen Raum zu hören war.
»Die beiden wohnen sogar zusammen«, klärte Håkon sie auf.
Für einen Moment schien es Mia die Sprache verschlagen zu haben. Als sie gerade zu einer Erwiderung ansetzen wollte, wurde der Nebenraum von einem ohrenbetäubenden Klirren und Scheppern erfüllt, als hätte dort jemand einen ganzen Stapel von Tellern fallen gelassen. Erregte Rufe, krachende Stühle, klatschende Geräusche, dumpfes Stöhnen. Offenbar war nebenan eine Schlägerei im Gange.
Viele Schüler betrachteten Schlägereien als eine willkommene Abwechslung im öden Schulalltag – sofern sie selbst nicht daran beteiligt waren. Demzufolge zog eine Keilerei stets das gleiche Ritual nach sich: Die Schaulustigen bildeten einen Kreis, sorgten dafür, dass die Kämpfenden nicht gestört wurden, feuerten ihren Favoriten an und filmten die Szene oder machten Fotos. In diesem Fall war ein Halbkreis entstanden, da die beiden Streithähne offenbar nahe der Wand über den Boden kugelten und dort auf einander eindroschen. Die Scherben des zerbrochenen Geschirrs waren fürsorglich zur Seite geschoben worden, während sich das Essen, das sich eben noch auf den Tellern befunden hatte, nun großflächig auf die Umgebung verteilte. Die Wand wurde von einem sternförmigen Fleck aus Ketchup geschmückt, Erbsen sprenkelten den Boden, eine Handvoll Spaghetti hing dekorativ über dem Heizkörper.
Als Franziska sich zum Ort des Geschehens vorgedrängt hatte, sah sie, dass es ein ungleicher Kampf war. Magnus saß einem Jungen aus der Parallelklasse, dessen Name ihr nicht einfiel, auf der Brust und deckte ihn mit Ohrfeigen ein. Der andere schlug verzweifelt um sich, ohne seinem schwergewichtigen Gegner Paroli bieten zu können. Anfeuerungsrufe waren ausnahmsweise keine zu hören. Diese Auseinandersetzung war zu einseitig, als dass es sich gelohnt hätte, für einen der Kontrahenten Partei zu ergreifen. Dafür machte sich eine beklommene Stille breit, einzig durchbrochen von dem Klatschen der Schläge und dem gepressten Stöhnen des Unterlegenen, dessen Kopf dunkelrot angelaufen war. Magnus war gefährlich nahe an seinen Hals herangerückt und drohte ihm mit seinem Gewicht die Luft abzudrücken.
Weshalb schritt hier niemand ein? Warum tat niemand etwas? Wo war das erwachsene Personal der Mensa, dem die Auseinandersetzung doch unmöglich verborgen geblieben sein konnte? Als Franziska schon ein verzweifelter Schrei auf den Lippen lag, stürzte jemand auf Magnus zu und riss ihn von hinten zurück.
Der landete mit verdutzter Miene auf dem Rücken und sah plötzlich aus wie ein plumper, dicker Käfer. »Das reicht!«, brüllte ihm Alexander ins Gesicht. Der andere Junge wälzte sich röchelnd zur Seite und fing an zu husten.
Franziska fürchtete schon, Magnus würde sofort auf Alexander losgehen. Doch sie hatte sich getäuscht. Schwer atmend klopfte sich Magnus den Staub von den Kleidern. Dann nickte er mit offenem Mund vor sich hin, als müsse er sich besinnen, und warf Alexander einen langen Wir-sprechen-uns-noch-Blick zu. Mühsam rappelte Magnus sich auf und stapfte davon, während die Umstehenden respektvoll zur Seite wichen.
Kapitel 7
Je mehr Alexander über die Sache nachdachte, desto seltsamer kam sie ihm vor. Eigentlich hielt er Magnus nicht für einen Schläger, obwohl er fraglos etwas Einschüchterndes hatte und dies auch gern ausspielte, wenn er es für nötig hielt. Die meisten in der Klasse blieben auf Distanz zu ihm und beobachteten ihn lieber aus der Ferne. Unter den Mädchen gab es allerdings nicht wenige, die bewundernd an seinen Lippen hingen, sobald er den Mund aufmachte. Wahrscheinlich waren sie von seiner coolen, rätselhaften Art fasziniert. Richtig warm mit ihm wurde niemand, und auch Magnus suchte keine Nähe, sondern gefiel sich offenbar als jemand, der von einem Geheimnis umgeben war. Dem man lieber nicht zu nahe kam. Ein einsamer Wolf unter Schafen.
In den Pausen hing er immer mit denselben Jungs aus der Zehnten rum, obwohl er
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