Nichts bleibt verborgen
Adresse. Von seiner Mülltonnengeschichte glaubte er ihm natürlich kein Wort. Die gehörte zu Gustavsens üblicher Taktik, etwas zu verschleiern, was er lieber für sich behielt.
»Die Techniker sind übrigens sicher, dass ein Brandbeschleuniger eingesetzt wurde«, fuhr Ohlsen fort, um zu ihrem eigentlichen Thema zurückzukehren. »Ein flüssiger Grillanzünder oder so was.«
»Wie wär’s mit Schnaps?«, fragte Gustavsen.
»Für eure Hochzeit?«
Gustavsen winkte ab. »Ich frage mich gerade, ob auch hochprozentiger Schnaps als Brandbeschleu niger infrage kommt. »Nehmen wir einmal an, ein Obdachloser hätte in dem Schuppen Schutz vor der Kälte gesucht. Gulliksen war sich ja nicht sicher, ob er ihn wirklich abgeschlossen hat. Der Obdachlose zieht sich also mit einer Flasche Schnaps in den Schuppen zurück, raucht noch eine Zigarette, schläft vielleicht dabei ein und verursacht den Brand selbst, dem er zum Opfer fällt.«
»Du vergisst die Streichhölzer, die im Gras …«, begann Ohlsen, als das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte. Er angelte sich den Hörer und drückte auf den grünen Knopf.
»Ja, bitte?«
Der Anrufer schien etwas zu berichten. Gustavsen hörte die leise Stimme aus dem Hörer, konnte aber nichts verstehen.
»Tatsächlich?«, sagte Ohlsen nur, dann lauschte er wieder. Einmal pfiff er leise durch die Zähne. »Sieh mal einer an«, entgegnete er schließlich. »Natürlich ist das von Interesse. Ja, lass es untersuchen und schick es dann rüber.«
Ohlsen legte auf und warf seinem frisch verliebten Kollegen einen Blick zu, den dieser gut kannte. Interessante Neuigkeiten, hieß dieser Blick.
»Nun sag schon«, forderte Gustavsen ihn auf.
»Die Leute von der Spurensicherung haben mal wieder ganze Arbeit geleistet. Als sie ihre Sachen zusammengepackt hatten und den Tatort bereits verlassen wollten, hat einer von ihnen noch eine interessante Entdeckung gemacht. Direkt am Ma schendrahtzaun, im Schatten der Tannen, lag ein dünnes braunes Lederarmband.«
Kapitel 14
»Und das soll Spaß machen?«
Mia warf Franziska einen angestrengten Blick zu, die neben ihr an der Wand der Turnhalle saß. Wobei von Sitzen eigentlich nicht die Rede sein konnte. Bei der »Wandsitzen« genannten Übung gab es nämlich weder eine Bank noch Stühle. Die Beine waren im rechten Winkel abgeknickt, als säße man auf einem Stuhl, während man den Rücken an die Wand drückte. Mia hatte das Gefühl, ihre Oberschenkel würden jeden Moment platzen. So wie ein Würstchen im Kochtopf platzt, wenn es zu viel Hitze bekommt.
»Noch dreißig Sekunden!«, rief Bjørn, ihr Trainer, und klatschte aufmunternd in die Hände.
»Das ist nicht sein Ernst«, presste Mia zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Das ist erst der Anfang«, ächzte Franziska und schloss die Augen, was es ihr leichter machte, das Brennen in ihren Oberschenkeln zu ertragen. Sie hatte Mia zu einem Probetraining mit ihrer Basketballmannschaft überredet. Auf der Aufbauposition und auf den Flügeln brauchten sie dringend Verstärkung, zumal bald die entscheidenden Saisonspiele anstanden. Und nachdem Franziska im Sportunterricht erlebt hatte, wie sich die süße, blond gelockte Mia beim Ballspielen in eine gnadenlose Kämpferin verwandelte, stand ihr Entschluss fest. Sie musste Mia zu den Bygdøy Baskets lotsen.
Das einzige Problem bestand darin, dass Mia ihre Kämpfernatur sofort vergaß, wenn irgendein halbwegs attraktiver Junge in der Nähe war. Bjørn, dessen Attraktivität sich in Grenzen hielt, stellte zumindest in dieser Hinsicht keine Gefahr für Mias Konzentration dar.
»Durchhalten, nur noch ein paar Sekunden!«
Björns Stimme hallte in Mias Kopf wider. Was war das bloß für ein Typ, der vierzehnjährige Mädchen zum Spaß an der Wand sitzen ließ? Ein Schweißtropfen fiel auf ihren zitternden Oberschenkel.
»Und … stopp! Beine ausschütteln.«
Mia ließ sich erschöpft zu Boden sinken und fragte sich im Stillen, ob sie Franziska in letzter Zeit beleidigt oder ihr etwas anderes angetan hatte, wofür sich diese jetzt rächen wollte.
Doch Franziska war ganz ohne Hintergedanken. Sie liebte alles an diesem Sport. Die kühlen Noppen des Balls an ihren Fingern. Das glänzende, elastische Parkett des Hallenbodens, das sich so viel besser anfühlte als der harte PVC -Belag ihrer Schulhalle. Das unverkennbare Klirren der Körbe sowie das charakteristische leise Geräusch – ähnlich dem Rascheln von Papier –, wenn ein geworfener Ball
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