Nichts bleibt verborgen
Wirtshaus?«
»Kann das irgendjemand bezeugen?«
»Nein, verdammt! Was soll die Frage? Kommen Sie jetzt jedes Mal zu mir, wenn’s irgendwo gebrannt hat?«
»Wie verbringen Sie Ihre Freizeit, wenn Sie nicht ins Wirtshaus gehen?«, erkundigte sich Gustavsen.
»Jedenfalls nicht mit Brandstiftung, wenn Sie das meinen«, antwortete er grimmig. »Hab ’ne Therapie gemacht. Das kann ich Ihnen schriftlich geben.«
»Keine offenen Rechnungen mehr?«, fragte Ohlsen. »Niemand, auf den Sie wütend sind? Mit dem Sie noch ein Hühnchen zu rupfen haben? An dem Sie sich rächen wollen?«
Torkelsens Wangenmuskeln verkrampften sich. Er schüttelte den Kopf.
»Schade eigentlich«, fuhr Ohlsen mit harmloser Stimme fort, »dass nie herausgekommen ist, wer Sie damals verpfiffen hat.«
Hektische rote Flecken traten auf Torkelsens Gesicht, während sein Blick sich verfinsterte. Er sprach durch die Zähne: »Wenn ich das Schwein kriege, mach ich es fertig.«
»Könnten Sie ein bisschen lauter reden?«, bat Gustavsen höflich. »Ich verstehe Sie so schlecht.«
»Ich mach die platt, die Sau!«, brüllte Torkelsen. Seine Lippen bebten vor Wut, als er auf die beiden Polizisten zeigte. »Ihr habt kein Recht …!«, schrie er, besann sich eines Besseren und wischte sich mit dem Ärmel seiner Jacke den Schweiß von der Stirn. »Ich habe meine Schuld abgebüßt«, sagte er mühsam beherrscht.
»Wir wollten Sie nicht provozieren«, versicherte Ohlsen. »Aber Sie sollten sich hüten, irgendwelche Drohungen auszustoßen.«
»Sie haben ja keine Ahnung!« Torkelsen spuckte erneut auf den Boden.
»Wovon haben wir keine Ahnung?«, fragte Gustavsen.
»Wie es ist, wenn man nichts mehr zu verlieren hat.«
Er warf dem Fragesteller einen verächtlichen Blick zu, ehe er wortlos in Richtung Haus stapfte. Ohlsen ließ ihn gewähren. Wie erwartet hatten sie von Torkelsen nicht viel Neues erfahren, doch eines war gewiss: Dieser Mann war eine tickende Zeitbombe.
Kapitel 21
Die Schultage waren eine einzige Qual. Am liebsten wäre er zu Hause geblieben. Doch wie sollte er das begründen? Schon am frühen Morgen fühlte er sich total ausgelaugt. Es kostete ihn all seine Energie, den Tag zu überstehen und sich nichts anmerken zu lassen.
Die Worte des Direktors, der gleich am Montagmorgen sämtliche Schüler in der Aula zusammengerufen hatte, begleiteten ihn auf Schritt und Tritt. Frydenlund hatte eine lange Rede gehalten. Und obwohl seine Stimme dumpf und seltsam verzerrt geklungen hatte – als wäre er unter Wasser und die Aula ein riesiges Aquarium –, konnte er sich an jedes einzelne seiner Worte erinnern: »Falls jemand von euch in den letzten Tagen eine Beobachtung gemacht hat, die mit dem Brand in Verbindung stehen könnte, dann bitte ich euch dringend, mir dies unter vier Augen mitzuteilen. Ich versichere euch, dass ich alle diesbezüglichen Informationen mit größter Vertraulichkeit behandeln werde. Ihr habt natürlich auch die Möglichkeit, dies in schriftlicher Form zu tun oder euch an unseren Vertrauenslehrer, Herrn Jagland, oder an unsere Schulpsychologin, Frau Paulsen, zu wenden.« Jagland und Paulsen waren aufgestanden und hatten ermunternd in die Runde genickt.
»Sollte aber jemand von euch persönliche Schuld auf sich geladen haben«, war der Direktor mit leicht schwankender Stimme fortgefahren, »dann möchte ich den- oder diejenige eindringlich bitten, sich jemandem anzuvertrauen und das eigene Gewissen zu erleichtern. Ich bin mir absolut sicher, dass niemand von euch irgendjemandem persönlichen Schaden zufügen wollte. Dass wir durch diesen Vorfall einen Toten zu beklagen haben, dessen Identität bisher nicht geklärt werden konnte, ist ein furchtbares Unglück, das uns alle erschüttert hat.« An dieser Stelle hatte Frydenlund seine Brille abgenommen und eine rhetorische Pause gemacht.
»Das Wissen, den Tod eines Menschen verursacht zu haben, ist eine enorme Last, mit der niemand alleingelassen werden sollte. Und ihr sollt wissen, dass ihr nicht allein seid, auch wenn ihr eine schreckliche Dummheit begangen haben solltet. Eine Dummheit, deren Folgen in dieser Tragweite nicht abzusehen waren. Im Zuge ihrer Ermittlungen wird die Kriminalpolizei vielleicht auch den einen oder anderen von euch befragen. Ich erwarte in diesem Zusammenhang selbstverständlich die größte Kooperationsbereitschaft von allen, um mitzuhelfen, diese Tragödie möglichst rasch aufzuklären.«
Das waren die Worte des Direktors gewesen. Vielleicht
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