Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
Ethan Evans, und die dazugehörigen Fotos zeigten ihn alle mit entweder finsterem oder höhnischem Gesicht. Haven überflog die Schlagzeilen.
AUGUST STRICKLAND MIT 65 JAHREN GESTORBEN, PROTEGÉ ZUM ERBEN ERNANNT
HINWEISE AUF MORD IM FALL STRICKLAND
EVANS ZUM TOD DES PHILANTHROPEN VERHÖRT
EVANS’ DREIECKSBEZIEHUNG DER MORDGRUND?
VERDÄCHTIGER IM STRICKLAND-MORDFALL STIRBT BEI BRAND
STRICKLANDS OG UNTER NEUER LEITUNG
EVANS’ GELIEBTE BRICHT BEI BEGRÄBNIS ZUSAMMEN
Beim letzten Artikel zögerte Haven. Das körnige Foto neben der Überschrift zeigte eine junge Frau mit dunklen Haaren, die von jemandem gestützt wurde, dessen Kopf beim Ausschneiden des Artikels abgetrennt worden war. Obwohl das Mädchen einen Schleier trug, konnte Haven das tränenüberströmte Gesicht gut genug sehen, um es zu erkennen. Es war Rebecca. Die Woge aus Hass und Eifersucht, die Haven mit einem Mal erfasste, kam vollkommend überraschend.
Bei der gestrigen Beisetzung von Ethan Evans brach Rebecca Underwood gramgebeugt zusammen und schürte so weiter das Gerücht, dass die beiden eine Affäre unterhielten. Obwohl Evans nur wenige Stunden vor ihrer beider Tod heimlich die Erbin Constance Whitman heiratete, berichten unsere Quellen, dass er die Verbindung wohl vor allem aus finanziellen Motiven einging und Rebecca Underwood seine Geliebte blieb.
Vor einigen Monaten war Evans unter Verdacht geraten, seinen wohlhabenden Mentor Dr. August Strickland ermordet zu haben. Heute werden Stimmen laut, die vermuten, der Brand in den Washington Mews sei in dem Vorhaben gelegt worden, Evans’ neu erworbenem Vermögen einige weitere Millionen hinzuzufügen. Ist Evans bei dem Versuch, seine junge Braut zu töten, selbst ums Leben gekommen? Unsere Quellen bekräftigen diesen Verdacht zumindest. Mit Evans’ Tod aber scheint der Fall nun abgeschlossen …
Haven erkannte billigen Tratsch auf den ersten Blick, aber diese grausamen Spekulationen taten trotzdem weh. Hastig durchblätterte sie den Rest des Albums, vorbei an weiteren Klatschkolumnen und vereinzelten seriösen Polizeiberichten aus der New York Herald Tribune . Während es ganz offensichtlich Monate gedauert hatte, bis die New Yorker aufhörten, sich über die anrüchige Geschichte die Mäuler zu zerreißen, schien die offizielle Untersuchung von Stricklands Tod mit Ethan Evans’ Ableben ihr Ende gefunden zu haben. Doch die interessanteste Information fand Haven erst auf der allerletzten Seite des Albums. Der New York Historical Society gestiftet durch Frances Whitman. 1995 , stand auf einem kleinen, maschinengeschriebenen Stück Papier. Diese Möglichkeit hatte Haven noch nie in Betracht gezogen: Vielleicht hatte Constance noch immer Verwandte in New York.
Plötzlich spürte Haven, dass sie nicht mehr allein im Raum war, und sah von dem Album hoch. Eine unscheinbare kleine Frau beobachtete sie von der Tür aus. Ohne die Miene zu verziehen, nickte sie Haven flüchtig zu und ging dann zu einem Stuhl am anderen Ende des langen Tischs. Ihr formloser grauer Rock schlackerte ihr raschelnd um die Waden. Kurz darauf schlenderte ein Mann in Khakihose am Tisch vorbei zu einem der Sessel vor dem Kamin. Dort angekommen, steckte er die Nase in ein Buch, auf dessen Rücken kein Titel zu erkennen war.
Haven hatte auf etwas Gesellschaft gehofft, aber irgendwie schienen die anderen Besucher die unheimliche Atmosphäre des Lesesaals nur noch zu verstärken, also wandte sie sich schnell den anderen Sachen in der Kiste zu. Eine vergilbte Broschüre, verfasst von August Strickland, die den Auftrag der Ouroboros-Gesellschaft umriss. Die Organisation, so schrieb er, »heißt Menschen beider Geschlechter und aller Rassen und Religionen willkommen, die ihre gottgegebenen Talente im Dienste einer besseren Welt einsetzen wollen.« Als Nächstes verbrachte Haven mehrere Minuten damit, ein offizielles Foto aus den frühen Tagen der Gesellschaft zu studieren. In der Mitte des Bildes stand Strickland, umringt von einem Dutzend lächelnder Anhänger. Er war nicht groß, aber er gewann einige Zentimeter durch sein buschiges weißes Haar. Sein Blick ruhte liebevoll auf dem jungen Mann an seiner Seite. Ethan Evans lachte fröhlich und vollkommen unbeschwert in die Kamera.
Haven hielt das Foto neben einen der Zeitungsartikel in dem Sammelalbum. Welcher war der echte Ethan Evans – der sorglose junge Mann oder der finster dreinblickende Verdächtige? Selbst ihre Visionen von Ethan hatten ihr kaum Anhaltspunkte
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