Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
ja irgendwas, was Sie interessiert.«
»Danke. Das werde ich mir mal ansehen«, erwiderte Haven etwas verunsichert über die Art, wie er den Blick kein einziges Mal von ihrem Gesicht wandte. Es war schmeichelhaft und gleichzeitig irritierend, dermaßen eingehend gemustert zu werden.
»Ich hoffe, wir sehen uns bei Ihrem nächsten Besuch in der Gesellschaft wieder«, sagte er. »Ich bin ziemlich oft hier. Vielleicht können wir ja mal zusammen einen Kaffee trinken? Ich könnte Ihnen ein bisschen mehr über uns erzählen. Und wer weiß, vielleicht kann ich Sie ja sogar davon überzeugen, auch der OG beizutreten.«
Er sprach mit der lässigen Selbstsicherheit eines Menschen, der es nicht gewohnt war, auf Ablehnung zu stoßen. Irgendwie schien er eine seltsame Art von Macht auszustrahlen, so als wäre er ein als Bürgerlicher verkleideter Prinz oder ein Gott, der sich als Sterblicher ausgab.
»Klar«, hörte Haven sich zu ihrer eigenen Überraschung sagen. »Nächstes Mal.«
KAPITEL 39
D er Gehweg vor der Ouroboros-Gesellschaft war verlassen. Ein heller Lichtreflex lenkte Havens Blick auf die Fenster eines Apartments auf der gegenüberliegenden Seite des Parks. Sie meinte, eine Gestalt ausmachen zu können, die in dem dunklen Zimmer stand und den Platz beobachtete. Haven beschleunigte ihren Schritt und lief nach ein paar Sekunden die Treppe eines roten Backsteingebäudes hinauf, das nur wenige Meter von der OG entfernt war. In der Empfangshalle der Villa befand sich die Geschäftsstelle der Gramercy Park Historical Society. Haven ging auf eine winzige Frau mit Hornbrille zu, die gerade dabei war, sämtliche Oberflächen im Raum mit einem Staubwedel zu bearbeiten. Der aufgewirbelte Staub legte sich wieder, kaum dass sie ihm den Rücken zugewandt hatte. An den Wänden hingen Fotos der Gebäude rund um den Park, vermutlich aus dem neunzehnten Jahrhundert. Verschwommene Gestalten bevölkerten die Gehwege – die Geister der Passanten, deren Bewegungen zu schnell für die damaligen Kameras gewesen waren.
Die Frau vom Empfang versteifte sich, als sie ihren Gast entdeckte; ihr Staubwedel verharrte Zentimeter vor einer Büste von Stanford White in der Luft. »Sind Sie Haven Moore?«, fragte sie.
»Ja.«
»Ich bin die Bibliothekarin. Die Ouroboros-Gesellschaft hat gerade angerufen und mich gebeten, das hier für Sie herauszusuchen.« Die Frau deutete auf einen großen Karton, der auf einem Stuhl stand. »Das ist alles, was wir über die frühen Jahre der Organisation haben.«
»Aber ich bin doch erst vor einer Minute dort weggegangen«, erwiderte Haven verblüfft. »Wie haben Sie das denn alles so schnell gefunden?«
»Sie sind nicht die Erste, die die OG zu uns schickt«, informierte die Frau sie und legte ihren Staubwedel zur Seite. Ihre Bewegungen waren präzise und ökonomisch. »Ich halte die Materialien immer bereit für den Fall, dass sie gebraucht werden. Der Lesesaal ist im ersten Stock. Kommen Sie, ich bringe Sie hin.«
Haven folgte der Frau die Treppe hinauf. Ein rotes Samtseil auf dem Treppenabsatz versperrte den Zugang zu den oberen Stockwerken, und eine Tür führte in einen riesigen Lesesaal, dessen Vorhänge zugezogen waren. Das wenige Licht kam von vier kleinen Lampen, die in der Mitte eines langen, kunstvoll verzierten Tischs standen. Die Luft im Raum war kühl und roch nach Staub und Verfall. An den Wänden verliefen Bücherregale mit einigen kleineren Büsten darauf. Die Gesichter längst verstorbener und vergessener Männer starrten zu dem Mädchen herunter, das in ihr Reich eingedrungen war. Wenn es in diesem Gebäude nicht spukte, dann war das die reinste Verschwendung, dachte Haven bei sich.
»Ist es zu dieser Tageszeit immer so leer hier?«, fragte sie die Frau, die gerade den Karton auf einem Tisch in der Ecke abstellte.
»Leer?« Die Frau ließ den Blick durch den Raum wandern. »Ja, das ist es wohl. Aber ich bin sicher, Sie werden schon bald Gesellschaft bekommen. Sagen Sie Bescheid, wenn ich noch etwas für Sie tun kann«, fügte sie hinzu und eilte geschäftig in Richtung Treppe.
Haven öffnete die Kiste. Darin lagen ein paar Bücher und ein halbes Dutzend Dokumententaschen. Doch das Erste, was sie herauszog, war ein altes Sammelalbum mit einem schwarzen, schon etwas brüchigen Einband. In dem Album klebten vergilbte Zeitungsartikel, die hauptsächlich aus den New York Daily News oder aus dem New York Daily Mirror zu stammen schienen. Zu Havens Erstaunen ging es in den Artikeln um
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