Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
eigentlich Aisne ist, was es auch blieb, allerdings ohne A oder B.
Platzprobleme sind ohnehin ein großes Thema in der Beschilderung französischer Kraftfahrzeuge. Die Départements in Übersee tragen die Nummern 971 bis 976, also wieder mehr Zahlen als vorgesehen, deswegen kann die 9 auf diesen Kennzeichen auch kleiner sein und über der 7 stehen, muss sie aber nicht. Das kann man verstehen, muss man aber nicht. Das System jedenfalls schrie nach einer Reform. Sie sollte kommen – aber nicht so, wie der Franzos’ sie sich wünschte. Der Plan lautete: Einfach durchnummerieren, ohne Rücksicht auf die Herkunft. Und zwar von AA-001-AA bis ZZ-999-ZZ. Nun hatte man sich zwischen Pyrenäen und Vogesen aber schon an das krude Nummernwesen gewöhnt, und Umdenkprozesse finden unter Baskenmützen nur ungern statt. Deswegen gab es Protest und schließlich einen Kompromiss: Es wird zwar rücksichtslos durchnummeriert, am rechten Rand des Nummernschilds bleibt aber die Départements-Kennzahl und damit die Herkunftsangabe erhalten, wenn auch ohne Bedeutung für die eigentliche amtliche Nummer. Aus der Sicht französischer politischer Entscheidungsträger sind Kompromisse eine feine Sache. Kein Volk des christlichen Abendlandes ist so schnell auf 180 wie unsere Nachbarn im Westen. Kaum hat der Präsident ein auch nur ansatzweise in Frage zu stellendes Gesetz unterschrieben, schon sind 10000 Traktoren vor dem Triumphbogen aufgefahren, drei Tage Generalstreik ausgerufen und eine Fuhre Mist vor dem Élysée-Palast abgeladen. Woher diese Heißsporn-Attitüde rührt, ist schwer zu ergründen. Haben die Franzosen doch den besseren Rotwein, den besseren Käse und das bessere Mineralwasser als wir Deutschen!
Wenn sie das Wort Mineralwasser in dieser Aufzählung stutzig gemacht hat, sind sie mein Freund. Allen anderen verrate ich ein Geheimnis, das von Marketingstrategen jahrzehntelang bestgehütet wurde: Französische Mineralwässer sind nicht anders oder besser als deutsche! Es besteht deswegen keinerlei Veranlassung, Flaschen zu kaufen, die schon Hunderte von Kilometern durch Europa gekarrt wurden! In der Nähe einer jeden deutschen Großstadt befinden sich genügend Quellvorkommen, um den Durst mit heimischen Wässern zu löschen, lange Transportwege sind hier vollkommen unnötig. Zeilen, die wehtun. Zeilen ungeschminkter Wahrheit, die die Marketingstrategen die Nüstern blähen und wutvoll mit dem Huf scharren lassen. Aber ich halte dagegen: Mineralwässer unterscheiden sich lediglich in der Zusammensetzung der Mineralien und in der Salzigkeit des Geschmacks. Attribute wie sanft, weich, rein oder gar harmonisch werden uns nur von kleinen Werbeflöhen ins Ohr gesetzt und sind ein Indiz von Werbemachers Hilflosigkeit, dem elementarsten Grundnahrungsmittel einen Hauch von Besonderheit zu verleihen. Ich ermuntere Sie, verschiedene heimische Wässer durchzukosten, und gehe jede Wette ein, dass Sie einen schmackhaften Durststiller auch aus ihrer Nähe finden werden. Die Natur sollte uns mehr wert sein als das Image eines weit transportierten Durchschnittsgänseweins.
Grundsätzlich macht man sich beim Einkaufen zu wenig Gedanken über die Herkunft der Ware. Nahezu jeder Deutsche hat über George W. Bush gemeckert oder verabscheut Silvio Berlusconi. Trotzdem wurde weiter munter zu US-amerikanischen oder italienischen Produkten gegriffen. Unsere Supermärkte bieten eine derartige Vielfalt an zu Kaufendem, dass man es mit etwas gutem Willen tatsächlich schafft, an Schurkenstaaten vorbei zu shoppen. Macht nicht immer Spaß, ist aber konsequent.
Eine Zeitlang hatte ich diebische Freude daran, diese Maxime auch auf Bundeslandebene runterzubrechen. Also nur Lebensmittel aus den Bundesländern in den Wagen zu legen, deren Regierungen ich gewogen war. Ich möchte mich parteipolitisch nicht outen, nur so viel: In den vergangenen Jahren war es zeitweise nicht einfach, das Leben mit Nahrungsmitteln aus Bundesländern zu bestreiten, deren Landesväter aus meiner Sicht in der richtigen Partei sind. So viel wird in Bremen, Brandenburg oder Berlin einfach nicht produziert.
Einen Vorteil hat diese harmlose Schrulle allerdings: Mein Kenntnisstand über Produktionsorte von Lebensmitteln übertrifft den der meisten, die professionell damit befasst sind. Ahnten Sie zum Beispiel, dass das Lidl-Mineralwasser »Beckerich Quelle« aus Luxemburg kommt? Oder die köstlichen Fertigprodukte der Firma »Hilcona« im Fürstentum Liechtenstein fabriziert werden?
Weitere Kostenlose Bücher