Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Vorteil: Man sieht, wo das Auto herkommt. Wenn sich ein Appenzeller im Genfer Feierabendverkehr stieselig verhält, weiß der Genfer: Ah, kommt von weit her, kennt sich nicht aus und ist mit Urbanität wahrscheinlich überfordert. Schon zeigt sich der Verkehrsteilnehmer verständnisvoller – ich hupe in Frankfurt auch niemanden aus dem Kreis Ludwigslust-Parchim zusammen, er hat’s ja schwer genug.
Deswegen ist es richtig und wichtig, anhand der Kennzeichen die regionale Herkunft zu erkennen. Deutschland, Österreich und die Schweiz übernehmen hier eine Vorbildfunktion, aber auch Länder wie Kroatien oder Albanien haben ihre Kennzeichen so gegliedert, dass der Heimatlandkreis nicht driver’s secret bleibt. Ganz besonders vorbildlich hat diese Frage das ohnehin sehr herzige Slowenien gelöst: Hier erkennt man anhand einer zweistelligen Buchstabenkombination nicht nur die Herkunftsregion des Autofahrers, sondern kann durch die Wappen in der Mitte des Kennzeichens ganz und gar die Heimatstadt oder Gemeinde des Verkehrsteilnehmers identifizieren. Lächelt im Küstenbezirk beispielsweise eine freundliche Sonne auf blauem Grund, so ist der Wagen in der Bezirkshauptstadt Koper gemeldet. Das benachbarte Izola führt eine weiße Taube im Schilde, während ein Auto aus dem schönen Piran an einem Kreuz in den Farben der isländischen Flagge, rot und blau, zu erkennen ist. Zum Leidwesen der Mitreisenden war mein Slowenien-Urlaub natürlich von der Aufgabe geprägt, möglichst viele Wappen zweifelsfrei zuordnen zu können.
Keinerlei Aufschluss über die genaue Herkunft des Wagens geben die Kennzeichen beispielsweise in Dänemark, Schweden, Finnland, Spanien und Belgien. Dafür hat es Belgien Ende 2010 auch endlich geschafft, als letztes Land der Europäischen Union das Euro-Kennzeichen offiziell einzuführen.
Für das 2001 initialisierte britische System ist ein Hochschulstudium nötig, Promotion kann auch nicht schaden: Die Kennzeichen bestehen vorne aus zwei Buchstaben, dann folgen zwei Zahlen und dann wieder drei Buchstaben. Der erste Buchstabe vorne steht für die übergeordnete Region – und zwar so, dass man es sogar versteht: L für London, S für Schottland zum Beispiel. Der zweite Buchstabe vorne kennzeichnet den lokalen Zulassungsbezirk, ist allerdings willkürlich gewählt. Folgt nach dem S für Schottland ein A bis J, kommt der Wagen aus Glasgow, folgt zum Beispiel U, V oder W, ist er aus Aberdeen. Soweit so unlogisch, aber jetzt kommt es ganz dicke – und zwar mit der zweistelligen Zahl dahinter. Sie verrät das Jahr der Zulassung. Allerdings teilt der Brite das Jahr in zwei Halbjahre. Wurde das Kfz beispielsweise zwischen dem 1. März und dem 31. August 2007 angemeldet, erhält es die Zahl 07. Wurde der Kauf allerdings im Semester vom 1. September bis 28./29. Februar getätigt, erhöht sich die Jahreszahl um den Quotienten 50, es trüge also die Zahl 57. Die drei Buchstaben dahinter werden willkürlich vergeben, allerdings unter Aussparung des Q, denn ein Q in der hinteren Buchstabenfolge signalisiert, dass es sich um einen nach einem Totalschaden wiederhergestellten Wagen handelt. Und jetzt ein kleiner Test, ob auch gut aufgepasst wurde: Woher, in welchem Zustand und von wann ist ein Wagen mit dem Kennzeichen SV 60 LDU? Die richtige Antwort: Schottland, Aberdeen, 2. Halbjahr 2010, bisher kein Totalschaden. Ohne Worte.
Auch in Frankreich hat man im Kennzeichenbereich fröhlich herumreformiert: Bis 2009 war anhand einer Zahlenkombination ersichtlich, aus welchem Winkel der Grande Nation ein Wagen dahergetuckert kam. Zunächst wurden die Nummern 01 bis 89 vergeben. Allerdings nicht etwa von Norden nach Süden oder bei Paris beginnend oder der Größe der Stadt entsprechend – nein: alphabetisch! Von 01 für das Département Ain bis 89 für Yonne. Das bedeutet, dass Départements ähnlicher Nummerierung keinesfalls nah beieinander liegen müssen. Die 34 (Hérault) liegt zum Beispiel palmenumsäumt am Mittelmeer, während die 35 (Ille-et-Vilaine) den Ostzipfel der zugigen Bretagne bildet. So gesehen ist also alles schon mal ziemlich unsinnig. Dazu kommen aber weitere Ausnahmen, die das Bild noch diffuser erscheinen lassen. Das Département 20 (Korsika) wurde in den siebziger Jahren in einen Nord-und einen Südteil dividiert, weswegen hinter der Zahl jetzt ein A oder ein B steht, die Zahl lautet aus Platzgründen allerdings auch nicht mehr 20, weil das zu lang gewesen wäre, sondern 2, obwohl Département 2
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