Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
der hilflose Skifahrer die Wahl zwischen den Sesselliften »Starjet«, »Spacejet«, »Topliner«, »Championshuttle«, »Bubbleshuttle«, »Powdershuttle« und der Krönung: »Absolut Shuttle«. Wer von Wagrain aus in den Skizirkus einsteigen will, benutzt den »Flying Mozart«. Mal ganz ehrlich, die haben doch nicht mehr alle Latten am Zaun!
Im steirischen Schladming rühmt man sich, die Talstation der Planai-Bahn so umgebaut zu haben, dass sie aussieht »wie ein modernes Flughafengebäude«. Vielleicht entwickeln Menschen, die ihr Leben lang zwischen Bergketten eingekeilt wohnen, andere Sehnsüchte und Wünsche als deutsche Großstädter. Aber als Frankfurter kann ich den größenwahnsinnigen Tourismusstrategen nur einen gut gemeinten Rat zuraunen: Die meisten Urlauber wünschen sich nicht , in malerischen Alpentälern Gebäuden zu begegnen, die wie moderne Flughäfen aussehen.
Der technische Aufrüstungswahn in Österreich hat neben den Bausünden noch einen weiteren unschönen Effekt: Wo früher der Kuhalmlift 1500 Menschen pro Stunde auf den Berg befördert hat, schafft heute der »Magic-Bubble-Alien-Shuttle« in etwa die fünffache Menge. Das verkürzt zwar die Wartezeit, er spuckt aber auch die fünffache Menge an Skifahrern aus, die sich gleichzeitig die Abfahrt teilen müssen, welche dummerweise nicht um den Faktor fünf mitgewachsen ist.
Wer es nicht liebt, in Menschentrauben auf das nächste moderne Flughafengebäude zuzufahren, muss in die Schweiz ausweichen. Dort machen viele Skigebiete den Eindruck, als hätten die letzten Investitionen 1973 stattgefunden. Seltsame Beförderungsmittel wie Standseilbahnen oder Zahnrad-unterstützte Aufstiegshilfen bringen den Gast in atemberaubender Langsamkeit nach oben. Hier wird das Motto »Früher war alles besser« bis heute gelebt – und teilweise sogar beworben: Das Skigebiet Schatzalp bei Davos brüstet sich damit, besonders langsame Lifte und keine Schneekanonen zu besitzen.
Vieles ist in der Schweiz so niedlich anders: Erfrischungsgetränke werden auf den Menükarten der Restaurants in Dezilitern gemessen, Diesel ist teurer als Superbenzin – und Handys heißen Natel. Das wussten Sie nicht? Das Wort ist eine Abkürzung für den Begriff »Nationales Auto-TELefon«, den die PTT (Schweizer Bundespost) Ende der siebziger Jahre etablierte. Bis heute ist er neben Handy im Sprachgebrauch. Solche Wörter, die im Schweizerdeutsch vom normalen Deutsch abweichen, nennt man Helvetismen. Recht bekannt sind vielleicht noch Poulet für Hühnerfleisch oder Glacé für Speiseeis. Schwieriger wird es wohl bei diesem Satz: »Aufgestellte Camionneurs-Lehrtochter (keine Seconda) mit genügend Sackgeld sucht Attikawohnung mit Tumbler und ohne Abriss«. Die hochdeutsche, wenngleich sinnfragwürdige Übersetzung folgt hier: »Umgänglicher, weiblicher Lehrling eines Fuhrunternehmers, nicht aus einer Zuwandererfamilie, mit genügend Taschengeld, sucht eine Penthousewohnung mit Wäschetrockner, bitte keine Nepp-Angebote«. Schon hier schwirrt demjenigen der Kopf, der optimistisch dachte, Schweizerdeutsch sei nur ein etwas heftigerer Dialekt.
Irgendwie hat sich da auf der anderen Seite des Bodensees beziehungsweise Rheins einiges in den letzten Jahrhunderten ziemlich weit von unserer Sprache wegentwickelt. Schon sein Vorname kann den Helveten verraten, denn bei uns heißt einfach niemand Jürg, Ruedi, Reto, Beat oder Regula – und bei Tageslicht betrachtet, ist das eigentlich auch ganz gut so.
Typisch österreichische Vornamen gibt es im Gegensatz zu schweizerischen übrigens nicht, allerdings beobachte ich hier einen Hang zum Altmodischen, der sich in seiner Unmodernität allerdings von unserer derzeitigen Retro-Welle absetzt. Während bei uns Kinder jetzt wieder Fritz, Oskar, Gustav oder Emil heißen, waren in Österreich bis weit in die neunziger Jahre Scheußlichkeiten wie Gerhard, Rudolf, Walter, Manfred oder Rainer ganz normale Namen für kleine, wehrlose Kinder. Auf einer Tiroler Alm wurde ich vor wenigen Jahren von einer etwa Vierzehnjährigen bedient, die Renate hieß, während der über und über tätowierte Bengel in der Snowboarder-Pinte auf den Namen Reinfried hörte.
Beim bloßen Hören der Vornamen ist es in Österreich demzufolge schwieriger einzuschätzen, wie alt der Mensch dahinter sein mag. Bei Ö3, dem meistgehörten Popradio zwischen Burgenland und Vorarlberg, schiebt immer die gleiche Kollegin ihren Wochenenddienst, wenn ich ins Land einfahre: Isolde
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