Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
wie weiland der schnelle Bernd aus dem Leben zu scheiden.
Nach dem Krieg galt es übrigens eine Zeitlang als schick, Autobahnparkplätze nach verlorenen Städten in den deutschen Ostgebieten zu benennen. An der A3 im Westerwald kann man heute noch auf dem Rastplatz »Landsberg an der Warthe« einen Stopp einlegen, bei Köln lädt der Parkplatz »Tilsit« zu einem Päuschen ein. Ich meide beide, aus Angst, dort Erika Steinbach zu treffen.
Stichwort Köln noch mal … Wer diese prächtige Stadt in Richtung einer angrenzenden verlassen will, muss mit allerlei Hürden rechnen, die ihm die Beschilderungsbeauftragten in den Weg stellen. Grundsätzlich kann sich der Kölner nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, seine Klüngelhochburg zu verlassen, deswegen gibt er sich die erdenklich wenigste Mühe, einen abreisenden Autofahrer komplikationslos aus seinem staustrotzenden Moloch zu geleiten. Mein Tipp: Wenn Sie keine Autobahn für Ihre Flucht in eine direkt angrenzende Stadt verwenden, richten Sie sich stets nach einem Fernziel, auch wenn es Ihnen noch so seltsam erscheinen mag. Will man nach Hürth, orientiere man sich an der Beschilderung »Schleiden«, soll das benachbarte Pulheim angefahren werden, halte man Ausschau nach »Grevenbroich«. Troisdorf wird über die Ausschilderung »Siegburg« erreicht – und alles östlich von Köln heißt pauschal »Olpe«.
Bergisch Gladbach oder Gummersbach gehören zu den verschwiegenen Städten. Nicht verschweigen sollte man allerdings eine Besonderheit von Gummersbach: Sie ist meines Wissens die einzige Stadt Deutschlands, die auf ihrem Territorium Filialen von Aldi Süd und Aldi Nord hat! Hiermit endet aber auch schon die Aufzählung von Gummersbacher Besonderheiten.
Ganz anders das ebenfalls im Bergischen Land gelegene Solingen. Hier kann man nicht nur mit Stolz auf die Fertigung international beachteter Messer und sonstiger Schneidewerkzeuge verweisen, sondern auch auf das längste, noch bestehende O-Bus-System Deutschlands. Mögen Kritiker auch darüber spötteln, dass O-Busse alle Nachteile von normalen Bussen und Straßenbahnen in nur einem Verkehrsmittel vereinen – meine Beachtung ist der Stadt Solingen dadurch gewiss.
Auch die Besucher von Esslingen am Neckar und dem brandenburgischen Eberswalde recken zuweilen verwundert die Köpfe gen Himmel, denn auch dort setzt man noch auf Oberleitungsbusse. In anderen deutschen Städten verkehrt dieses Transportmittel mit dem gewissen Ostblockcharme leider nicht mehr.
Liebhabern kurioser ÖPNV-Systeme kann ich übrigens nur eine Reise nach Gotha ans Herz legen. Dort verkehrt eine der wenigen Überlandstraßenbahnen in Deutschland. Über zwanzig Jahre alte Triebwagen tschechischer Fabrikation donnern unter mächtigem Ächzen und Stöhnen nach Tabarz im vorderen Thüringer Wald. Das kleinste Straßenbahnnetz der Republik hat übrigens Naumburg mit einer Gesamtlänge von atemberaubenden 2,5 Kilometern. Für Tram-Fans besonders zu empfehlen, weil verschiedene Fahrzeuge aus den fünfziger bis siebziger Jahren dort noch heute im Regelbetrieb unterwegs sind. Der Betreiber nennt sich »Naumburger TouristenBahn« – ein etwas sibyllinischer Name, weil die Bahn es schafft, an keiner einzigen Naumburger Touristenattraktion vorbeizufahren. Aber mit der Freude über diese kleine Bim im Herzen übersteht man auch die Outskirts der Domstadt im Bundesland der Frühaufsteher.
Der Begriff »Bim« stammt aus der Umgangssprache einer anderen Domstadt, nämlich Wien. Dort hat er sich aus der Jugendsprache zum Allgemeingut entwickelt, wenn die Rede von Straßenbahnen ist. Und noch eine schöne Wortschöpfung im Tram-Bereich stammt aus der österreichischen Hauptstadt, nämlich »die Blaue«. So wird der letzte Zug vor der Nachtruhe genannt, weil einst die Zielanzeige während der ultimativen Fahrt vor dem Einrücken ins Depot blau beleuchtet wurde.
Erstaunlich, dass sich in der einzigen wirklichen Metropole Österreichs diese antiquierte Ausdrucksform gehalten hat. Denn sonst setzt man zwischen Rhein und Neusiedler See auf Anglizismen, dass die Schwarte knackt. Besonders die alpinen Touristenmagneten haben in den letzten Jahren dahingehend mächtig aufgerüstet. Früher hießen die Aufstiegshilfen in Skigebieten so was wie »Kuhalmlift« oder »Schönjöchlbahn«. Heute muss man sich in grotesken Wortschöpfungen auf den Berg bringen lassen. Mein Lieblingsbeispiel: die Skischaukel Flachau, Flachauwinkl und Kleinarl im Salzburger Land. Hier hat
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