Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
sich zu duzen. Selbst der Durchreisende wird dazu mittels eines semi-offiziellen Schildes am Ortseingang ermuntert.
Tja, so hat Niedergrunstedt es mal wieder geschafft und hat in einer weiteren Publikation seine »15 minutes of fame« bekommen.
Eine andere Möglichkeit, wenigstens ein paar Lux Rampenlicht abzukriegen, ist es, von irgendwas der Mittelpunkt zu sein. Der Mittelpunkt Europas lässt sich wegen der unklaren Grenzziehung im Osten nicht eindeutig bestimmen. Sowohl das Ukrainische Rachiw als auch das oberpfälzische Neualbenreuth reklamieren für sich, geographisches Zentrum unseres Kontinents zu sein. Neueste Berechnungen gehen von einer Ortschaft nahe Vilnius in Litauen aus. Es gibt also eine recht ordentliche Spannweite zwischen den Anwärtern. Weniger umstritten ist Gelnhausen-Meerholz als Mittelpunkt der Europäischen Union. Allerdings ist dieser Ruhm vergänglich, da bei jeder EU-Erweiterung neu vermessen wird. Der Aufnahme Rumäniens und Bulgariens im Jahr 2007 war es schließlich zu verdanken, dass der Mittelpunkt des Staatenbundes von Kleinmaischeid bei Neuwied nach Meerholz umzog. Je nachdem, wie tölpelhaft sich die weiteren Beitrittskandidaten verhalten, könnte er dort noch eine Weile bleiben.
Freilich gibt es mehrere Wege, einen Mittelpunkt zu berechnen, deswegen rühmen sich etliche Orte, Mittelpunkt Deutschlands zu sein. Zieht man Linien vom nördlichsten zum südlichsten und vom westlichsten zum östlichsten Punkt unseres Landes (womit wir wieder sehr nah am Zipfelbund wären), ergibt sich durch diese Schnittpunktermittlung Edermünde-Besse bei Kassel als Zentrum des Landes.
Wenn man Deutschland ausschnitte und den Schwerpunkt austarieren würde, läge der Mittepunkt im thüringischen Unstrut-Hainich-Kreis. Bei diesem System ist allerdings strittig, ob die Zwölfmeilenzone auf dem Meer mitgemessen wird oder nicht. Bei einer zweidimensionalen Bemessung des Mittelpunktes werden überdies Höhenunterschiede ignoriert. Da der Mittelpunkt eines Landes aber üblicherweise anhand der Koordinaten der Längen-und Breitengrade berechnet wird, ist man übereingekommen, Niederdorla, ebenfalls im Kreis Unstrut-Hainich, diese Ehre zuteil werden zu lassen. Die recht kompakte Form Deutschlands sorgt übrigens dafür, dass das geographische Zentrum unseres Landes auch recht weit von jeglicher Grenze entfernt liegt. In Österreich wird Bad Aussee als Staatsmittelpunkt geführt, nicht mal fünfzig Kilometer Luftlinie von Deutschland weg. Aber wenn ein Land eben auch die Silhouette eines Koteletts hat, darf man sich nicht über seltsame Ergebnisse bei der Mittelpunktberechnung wundern. Mich wiederum wundert an dieser Stelle, dass es der Kotelett-Vergleich noch nicht zu größerer Prominenz gebracht hat, wenn von der Form des Staates Österreich die Rede ist. Es ist doch eindeutig zu erkennen, dass sich von Vorarlberg über Tirol bis Kärnten der Rippenknochen zieht, während sich zwischen Burgenland und Oberösterreich das saftigste Fleisch befindet. Ich fordere alle Kreuzworträtselhersteller auf, die als Synonym für Italien »Stiefelstaat« verwenden, bei der Suche nach Österreich den Kotelett-Vergleich heranzuziehen.
Ortschaften, die keine Mittelpunktlage oder die blendende Idee mit der Duz-Zone haben, müssen sich durch andere Kuriosa hervortun. Hierfür eignen sich beispielsweise Museen ganz ausgezeichnet. Heimatkunde, Historie, Ritterrüstungen oder Oldtimer sind Dutzendware, die es an jeder Ecke zu sehen gibt und die kein Kinderbäckchen mehr in Vorfreude rot erglühen lassen. Da muss man schon härtere Geschütze auffahren.
Kassel zum Beispiel verfügt über zwei Museen, die an keinem Nachmittag im Kreis der Familie ausgelassen werden dürfen: Das Tapetenmuseum und das Museum für Sepulkralkultur. In diesem heiteren Hause wird gezeigt, wie sich verschiedene Kulturen ihrer Toten entledigen. So viele Urnen, Mumien und Särge – da strahlen die Kinderaugen!
Etwas weiter nördlich öffnet drei Mal wöchentlich das Schnarchmuseum seine Pforten. Wer die Stadt kennt, weiß, dass es sich keinen trefflicheren Standort als Alfeld an der Leine hätte aussuchen können.
Wirklich niedlich geht’s im Württembergischen zu. Dort gibt es der Welt größtes Schweinemuseum. Wegen des großen Erfolges zogen die 40000 versauten Exponate unlängst von Bad Wimpfen in die Landeshauptstadt Stuttgart – und zwar konsequenterweise in die Schlachthofstraße.
Das Ulmer Brotmuseum heißt mittlerweile »Museum der
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