Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Nothnagl. In Deutschland könnte man sich recht zuverlässig darauf verlassen, dass sie mit dem Vornamen deutlich im 40+-Bereich rangiert (wenn’s reicht), in Österreich kann Isolde auch ein Girlie sein, das bauchfrei auf dem Skateboard zur Arbeit kommt. Ich gehe zugunsten Isolde Nothnagls von Version Nummer zwei aus.
Deutlich zuverlässiger als die Korrelation zwischen Alter und Vorname ist in Österreich übrigens der Verkehrsservice im Radio. Es ist bewundernswert, wie genau dort informiert wird. Bei uns gäbe es im Falle eines Staus folgende schnöde Information: »Auf der A23 in Fahrtrichtung Wien-Stadtmitte liegt zwischen Handelskai und Knoten Kaisermühlen ein Schrank auf der Fahrbahn.« Bei Ö3 zündet man dagegen halbstündig ein Feuerwerk an Detailgenauigkeit: »Auf der A23, der Südosttangente in Fahrtrichtung Wien-Stadtmitte liegt bei Kilometer 14,2 auf der linken und mittleren Spur ein Bauernschrank mit Kärntner Intarsienarbeiten und vier Schubfächern, der von einem ungarischen Kleintransporter soeben verloren wurde.«
Allerdings gibt es auch innerhalb Deutschlands Qualitätsabstufungen, was die Genauigkeit von Verkehrsmeldungen angeht. Die ungenauesten kommen gerade von den Anstalten, in deren Bundesländern das Thema Stau aufgrund der Bevölkerungsdichte oder der Relevanz für Urlaubsreisen eine besonders wichtige Rolle spielen sollte: vom WDR und vom BR. Im Bayrischen Rundfunk werden mit Vorliebe Verkehrsstockungen ohne jegliche Längenangabe genannt, der Transitreisende muss schon selbst herausfinden, dass zwischen Marktheidenfeld und Geiselwind rund fünfzig Kilometer liegen. Bei den westdeutschen Kollegen ist man aufgrund der Vielzahl der Meldungen dazu übergegangen, eine Kappungsgrenze einzuführen. Wenn viel los ist, finden nur Staus ab sechs Kilometern Länge eine Erwähnung, in die Kürzeren darf man ohne Vorwarnung reinrasseln.
Traditionell wenig zu melden gibt es in autobahnarmen Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern. Die Kürze der Durchsage wird bei »Hit-Radio Ostseewelle« allerdings dadurch kompensiert, dass die Sponsornennung umso umfangreicher ausfällt. Nachdem der Hörer erfahren hat, wann im Spaßbad »Oase Güstrow« Warmbadetag ist, um wie viel Uhr »Ladies« zur Hälfte in die Sauna kommen, wie viele Parkplätze kostenlos zur Verfügung stehen, wann die Pommes im Schwimmbadkiosk fertig sind, wie viel man als Familie mit acht Kindern spart und wann Nancy wieder Dienst hat, kreischt der Moderator: »Alles frei auf den Straßen, gute Fahrt«, bevor er dann noch rasch verrät, wo »geflitzerblitzert« wird.
Flitzerblitzer ist schon ganz schlimm, aber Verb daraus machen geht gar nicht! Doch seid unbesorgt, liebe Ostseefunker, die Sohle im Tal der ranschmeißerischen Platitüden ist fest reserviert für eure Hannoveraner Kollegen von Radio ffn, die ihr Sendegebiet Niedersachsen ausschließlich »das schönste Bundesland der Welt« nennen.
Das schönste Bundesland der Welt – ein weiterer Beweis für meine These, dass sich niemand so sehr nach Besonderem sehnt wie das Mittelmaß. Das offizielle deutsche Mittelmaß ist übrigens Haßloch in der Pfalz. Das habe nicht ich, sondern die Konsumforschung festgelegt. Die knapp 20000 Einwohner sind in ihrer Altersstruktur, ihrem Verdienst und ihrem Lebensumfeld dem Durchschnittsdeutschen so nahe, dass an ihnen allerhand herumexperimentiert wird. Ein neues Produkt, dass der Hasslocher ins Herz schließt, wird auch nationalweit reüssieren, darin sind sich die Forscher einig. In Fernsehwerbeblöcke werden sogar heimlich neue Spots eingestreut, um in diesem Mikrokosmos zu überprüfen, ob die Reklame derartig goutiert wird, dass man auch zum Produkt greift. Weh euch, Hasslocher, wenn ich rausfinde, dass ihr schuld an den Seitenbacher-Spots seid!
Aber zurück zur These: Vielleicht liegt es gerade an der Hasslocher Mediokrität, dass auf dem Gemeindegebiet einer der größten Freizeitparks Süddeutschlands entstehen konnte. Mit anderen Worten: Wer immer nur Durchschnitt ist, will wenigstens eine verrückte Achterbahn in der Nachbarschaft. Nun kann sich nicht jede langweilige Standard-Gemeinde einen Vergnügungspark bauen, um aufzufallen. Aber es geht auch anders: Sehr ans Herz gewachsen ist mir die Idee aus Niedergrunstedt bei Weimar. Aus Mangel an Besonderheiten ist im Dorf die »Duz-Zone« ausgerufen worden! Einheimische und Neubürger sind zur Steigerung der Lebensfreude aufgefordert, die Etikette fahren zu lassen und einfach mal wild um
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