Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
– Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ – im internationalen Vergleich Pipifax. Viele slawische Sprachen haben sieben, Finnisch sogar fünfzehn. Aber wir füllen unsere Sätze mit derart vielen Wörtern an, dass es für Fremdsprachler ewig dauern muss, sie so sprechen zu können wie ein Muttersprachler. Nehmen Sie folgenden Dialog zum Beispiel:
Sprecher 1: »Bayern München ist der erfolgreichste Fußballverein Deutschlands.«
Sprecher 2: »Das ist ja klar, aber ich mag den VfB Stuttgart trotzdem lieber.«
Wie erklären Sie jetzt einem Deutschlernenden das »ja« in der Entgegnung des zweiten Sprechers? Ja heißt übersetzt yes, oui oder sí – aber das ergibt an dieser Stelle ja gar keinen Sinn! Das »ja« in der Replik lässt hingegen erkennen, dass der Antwortende sehr wohl weiß, dass Bayern München der erfolgreichere Verein ist. Es gibt der Antwort sogar eine leicht patzige Note, weil er es zwar weiß, aber offensichtlich ungern daran erinnert wird. Bei einer bestimmten Betonung ist die Patzigkeit sogar gewürzt mit einer Spur Ungeduld, weil der Antwortende befürchtet, Sprecher 1 könnte gegen seinen Willen anfangen, die Erfolge von Bayern München en détail aufzuzählen. So viel vermag dieses kleine Wörtchen auszusagen, das eigentlich ja nur das Gegenteil von nein ist.
Völlig unlogisch ist im Deutschen übrigens auch die Zusammensetzung zweistelliger Zahlen ab dreizehn. Kaum eine andere Sprache ist so ungeschickt, die erste Zahl an zweiter Stelle zu nennen. Nehmen wir an, meine Telefonnummer begönne mit einer 32. Wenn ich sie jemandem diktieren will, weiß derjenige ja noch nicht, ob ich die Zahlen einzeln nenne oder jeweils im Zweierverbund. Ich hebe also an und sage »Zwei…«. Schon tanzt der Kuli meines Gesprächspartners über das Blatt und notiert die genannte Ziffer, nicht ahnend, dass ich enden werde mit »…unddreißig«.
Zumindest in allen Sprachen, die man versucht hat, mir in der Schule beizubringen, existiert diese Logiklücke nicht, außer im Englischen, dort aber auch nur zwischen 14 und 19. (Bei thirteen prinzipiell auch, allerdings heißt es ja nicht threeteen, so dass der notierende Teilnehmer schon weiß, auf was es hinausläuft). Vollends unlogisch wird es bei längeren Zahlen. Nehmen wir die 73456. Wir sagen Dreiundsiebzigtausendvierhundertsechsundfünfzig. Wir erwähnen also die in der Zahl vorkommenden Einzelziffern in der Reihenfolge 2-1-3-5-4. Verstörend, wenn man sich mal Gedanken darüber macht, nicht wahr? Ein Bochumer Mathematikprofessor wollte dem Irrsinn schon 2004 ein Ende bereiten und die logische Sprechweise Siebzigdreitausendvierhundertfünfzigsechs einführen. Sein Erfolg allerdings, um bei Zahlen zu bleiben: null.
Wo wir gerade bei Bochum sind. Dort hat man auf der A40, dem Ruhrschnellweg, mal etwas Tolles ausprobiert: die Buchstaben der Autobahnschilder zur besseren Sichtbarkeit mit Katzenaugen-Reflektorenpunkten zu verstärken! Sah sehr fetzig aus, Wattenscheid-West war quasi die Diskokugel unter den deutschen Autobahn-Ausfahrten. Hat sich aber – wahrscheinlich wegen häufig auftretender Erblindung – genauso wenig durchgesetzt wie der Zahlenreformversuch des Professors gleicher Provenienz.
Genauso ein Wirrwarr wie unsere Zählweise sind übrigens die Ausdrücke in Fremdsprachen, die »Deutsch« als Sprache beschreiben. In den gängigen Sprachen gibt es fünf Herleitungen: Einige Länder bezeichnen unsere Sprache ebenfalls als »Deutsch«, natürlich in unterschiedlichen Abwandlungen. Schweden, Norweger und Dänen sagen »tysk«, Niederländer »Duits« und sogar die Japaner »Doitsu-jin«, was auf die Bezeichnung »Doitsu« für Deutschland zurückzuführen ist. Dann gibt es die Fraktion, die unsere Sprache als die der Germanen bezeichnet, zum Beispiel das Englische »german« oder das Rumänische »germana«. Bevorzugt im Südwesten Europas erinnert man sich der Alemannen, wenn es um die Bezeichnung unserer Sprache geht, und nennt das, was wir sprechen, im Spanischen »alemán«, im Portugiesischen »alemao« und im Französischen »allemand«. Selbst im Arabischen heißt unsere Sprache »almaniyy«.
Die Herleitung im slawischen Sprachraum ist ein wenig verschwurbelter: Die dortige Bezeichnung rührt vom Wortstamm »nemec« her, der wiederum auf das slawische Adjektiv für »Stumm« zurückzuführen ist. Gemeint waren damit offenbar Anderssprachige, mit denen man sich als Slawe nicht verständigen kann. Bulgaren nennen unsere Sprache »nemski«,
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