Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Gießen und Hagen. Zwischen Bremen und Cuxhaven ist die A27 auch als »Schellfischlinie« bekannt. Und die A31, die vom Ruhrgebiet bis Emden führt, trägt den hübschen Beinamen »Friesenspieß«, weil sie tatsächlich wie ein Schaschlik-Stäbchen von Süden her ins Friesische reinpiekst. Im Revier hört man für die A40, den staugeplagten Ruhrschnellweg gelegentlich die Verballhornung »Ruhrschleichweg«. Auf dieser Strecke gibt es übrigens auch Bushaltestellen, allerdings nicht wie in Berlin oder Saarbrücken am Rand, sondern im Mittelstreifen. Der ist so breit, dass dort Busse fahren, ein Stück weiter sogar eine Straßenbahn. Wenn Sie mal jemand um ein Date bittet, den Sie nicht so gut leiden können, vereinbaren Sie als Treffpunkt die Haltestelle Essen-Savignystraße und erscheinen Sie nicht. Wer eine halbe Stunde in einer Betonhölle zwischen zwei Autobahnrichtungsfahrbahnen stehengelassen wird, sollte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden haben.
Es hüngert Sie auf Reisen? Dann nichts wie ab zu Serways oder Gusticus! Wenn Sie allerdings nicht auf 08/15-Rasthäuser stehen, dann sind sie auf der A7 im »Illertal-Ost« gut aufgehoben, Deutschlands einziger Kunst-Autobahnraststätte. Das weiß getünchte Gebäude schlängelt sich mit etlichen Rundungen durch die Landschaft, unterbrochen von Türen und Fenstern, die nach oben halbkreisförmig abgesetzt sind. Aus einem Türmchen auf der rechten Seite wächst ein goldenes Horn, mittig steigt eine Art Minarettspitze auf, deren Verbindung zum restlichen Gebäude aussieht wie ein kunstvoll drapierter Haufen Schlagsahne. Auf der linken Seite folgt schließlich noch ein Pavillon, dessen Dachgestaltung verdächtig an einen Cupcake erinnert. Geschaffen wurde das lustige Zipfelhaus von einem österreichischen Künstler, der Friedensreich Hundertwasser offensichtlich ganz dufte findet, ihn aber nicht allzu offensichtlich kopieren wollte. Sollte es schon von außen nicht Ihr Geschmack sein, dann besuchen Sie in diesem Tempel der Kunst und Kulinarik auf keinen Fall die Toiletten, dort droht Zartbesaiteten der Verlust des Augenlichts.
Während in den neunziger Jahren schreiend gekachelte Aborte im Trend lagen, war man im neuen Jahrtausend schon einen Schritt weiter oben auf der Humbugleiter und errichtete im württembergischen Gruibingen an der A8 das erste »Feng-Shui-Rasthaus« Europas. Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass das »Qi« Gebäude genauso durchströmt wie den menschlichen Körper. Deswegen gilt es einige Feng-Shui-Kniffe zu beachten, die sicherstellen, dass der Energiefluss sanft und stetig durch alle Räume strömen kann. Möglicherweise soll der Tinnef aber auch nur sicherstellen, dass das Geld sanft und stetig in die Kassen der Betreiber fließt.
Falls Sie auf einer Autobahnreise mal auf gar keine Raststätte treffen wollen, dann befahren Sie die A73 von Nürnberg bis Suhl in ihrer vollen Länge und Schönheit. Die rund 170 Kilometer sind bis heute der längste Autobahnabschnitt in Deutschland ganz ohne Bewirtung oder Betankungsmöglichkeit.
Das krasse Gegenteil ist die A5 zwischen Friedberg und dem Hattenbacher Dreieck: Dort haben sie auf neunzig Kilometern Strecke mit den Rasthöfen Rimberg, Berfa, Pfefferhöhe, Reinhardshain, Limes und Wetterau gleich sechs Schlemmertempel am Wegesrand.
Mittelstreifen der deutschen Autobahnen bestehen neben den Leitplanken oft aus Rabatten oder diesen grünlichen Blendschutzreihen, die dafür sorgen, dass die Beleuchtung des Gegenverkehrs nicht irritiert. Zu Beginn des Autobahnbaus waren die Mittelstreifen oft noch wesentlich breiter und nahezu parkähnlich angelegt. Damals sah man eine sich durch die Landschaft windende Autopiste noch als Bereicherung an und wollte sowohl Anwohnern als auch Autofahrern durch eine ansprechende Umfeldarchitektur maximalen Genuss verschaffen.
Heutzutage trifft man gelegentlich auf Abschnitte, deren Mittelstreifen über mehrere Kilometer keinerlei Grün aufweist, sondern nur eine kahle Leitplanke auf betoniertem Grund. Das liegt nicht daran, dass die Autobahnmeisterei keine Lust zur Grünpflege hat, sondern ist auf einen militärischen Hintergrund zurückzuführen, den ich persönlich etwas gruselig finde: Zu Zeiten des Kalten Krieges waren etliche Autobahn-Teilstücke in Behelfsflugplätze umwandelbar. Wäre also die Landung auf einem regulären Flughafen nicht mehr möglich gewesen, wären die Schnellstraßen gesperrt und rasch umfunktioniert worden. Selbstverständlich geht das nicht
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