Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Missbildung aussieht, erscheint humoristisch noch in einem ganz anderen Licht, wenn man weiß, dass der größte Arbeitgeber der Gemeinde das benachbarte Atomkraftwerk ist.
Kennen Sie eigentlich den sprachlich größten Unterschied zwischen Nord-und Süddeutschland? Abgesehen davon, dass im Süden natürlich die wilderen Dialekte unterwegs sind, ist es das Wort »Sonnabend«. Ganz selbstverständlich wird im Norden der Samstag ignoriert und zum Sonnabend gemacht. Mir ist keine weitere Sprache geläufig, in der knapp die Hälfte der Sprecher ein anderes Wort für einen Wochentag benutzt. In der DDR war Sonnabend sogar die offiziell gebräuchliche Bezeichnung für den ersten Wochenendtag.
Der Begriff Samstag geht wohl auf das griechische Wort Sabbaton zurück, das verwandt ist mit dem hebräischen Schabbat und in etwa als »Tag des Saturns« übersetzt werden kann. Tief aus Südosteuropa drang der Begriff im Zuge der Missionierung des süddeutschen Sprachraums bis in die heutigen Samstags-Gebiete vor. Der nordische Sonnabend geht wohl eher aufs Germanische zurück. Dort begann ein Tag jeweils schon am Vorabend – und weil eben der Sonntag bevorstand, spielte der »Sonnabend« davor schon eine große Rolle. Wohl ab dem Mittelalter wurde der Begriff dann auf den ganzen Tag vor dem Sonntag ausgedehnt.
Viel interessanter als die Wortherkunft finde ich allerdings die Frage, ob man durch Deutschland eine klare Trennlinie der beiden Begriffe ziehen kann. Hier könnte das Kartenwerk von Georg Wenker helfen. Dieser Mann ließ den sogenannten Wenker-Atlas erstellen, in dem Deutschland nach Sprach-und Dialektfärbungen eingeteilt ist. Dazu entwarf er die vierzig sogenannten feststehenden »Wenkersätze«. Diese Sätze wie »Tu Kohlen in den Ofen, damit die Milch bald zu kochen anfängt« wurden von Lehrern landauf, landab in den jeweils ortsüblichen Dialekt übersetzt – und so konnte der Mundart-Atlas entstehen.
Leider starb Wenker schon 1911, deswegen mögen nicht mehr all seine Erkenntnisse topaktuell sein. Darüberhinaus liegt mir unglücklicherweise kein Wenker-Atlas vor. Daher habe ich mich einer alternativen und moderneren Methode besonnen, um der Frage der Grenzziehung auf den Grund zu gehen. Ich habe die lokalen Zeitungen der in Frage kommenden Grenzgebiete im Internet besucht und jeweils den Suchbegriff Samstag oder Sonnabend eingegeben. Meine Erkenntnisse möchte ich Ihnen im Folgenden in tabellarischer Form darreichen:
Zeitung
Erscheinungsort
Sonnabend
Samstag
Grafschafter Nachrichten
Nordhorn
1547
237
Münstersche Zeitung
Ausgabe Rheine
89
37031
Neue Osnabrücker Zeitung
Osnabrück
347
32232
Nordwestzeitung
Oldenburg
35138
434
Wilhelmshavener Zeitung
Wilhelmshaven
277
40
Weser-Kurier
Bremen
12384
12117
Die Harke
Nienburg
über 150
43
Mindener Tagblatt
Minden
9
über 1000
Schaumburger Nachrichten
Schaumburg
1942
1391
Deister & Weserzeitung
Hameln
86
über 500
Lippische Landeszeitung
Detmold
7
über 1000
Neue Westfälische
Höxter
6
über 1000
Einbecker Morgenpost
Einbeck
625
57
Göttinger Tageblatt
Göttingen
1499
1110
Hessisch-Niedersächsische Allgemeine
Kassel
94
20621
Hersfelder Zeitung
Bad Hersfeld
39
9080
Es lässt sich daraus also folgende Erkenntnis ableiten: Zwischen dem Münsterland und der Grafschaft Bentheim trifft die Samstag/Sonnabend-Grenze auf die niederländische. Von dort arbeitet sie sich ostwärts vor, in etwa dem Verlauf der Landesgrenze NRW/Niedersachsen folgend. Eine Niedersächsische Samstag-Exklave stellt der Raum Osnabrück dar, der auch geographisch nach NRW hineinragt. Die Sprachgrenze scheint mehr dem Wiehengebirge zu folgen, das bei Minden auf die Weser trifft. Westweserisch bleiben wir im Samstagsgebiet, östlich des Flusses macht sich der Sonnabend breit. Eine kleine Ausnahme scheint noch mal der Raum Hameln zu sein, denn erst jenseits von Ith, Hils und Solling tauchen wir wieder in den Sonnabend-Sektor ein. Mit Erreichen der hessischen Landesgrenze an der Weser lässt die Sonnabend-Intensität zwar nach, ebbt aber nicht völlig ab. Nördlich der Werra ist der Samstag in der Minderheit – und jenseits der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze ohnehin. Kurz gesagt kann man feststellen: In Niedersachsen wird mit wenigen Ausnahmen überwiegend Sonnabend gesagt, in NRW und Nordhessen fast immer Samstag. Wieder was Wichtiges gelernt!
Es heißt ja grundsätzlich, Deutsch sei eine schwer zu erlernende Sprache. Das kann ich mir vorstellen. Zwar ist unsere Sprache mit ihren vier Fällen
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