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Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Titel: Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Frühling
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überall. Wichtigste Voraussetzung neben der umklappbaren Mittelleitplanke war natürlich ein brückenloses Stück, das etwa drei Kilometer lang gerade verläuft. Auch Stromkabel hätten gestört, die wurden an den betreffenden Passagen unterirdisch verlegt. Und weil ja nun die Flugzeuge auch irgendwo abgestellt werden mussten, existierten seltsam überdimensionierte Parkplätze an den jeweiligen Enden der Notflughäfen. Auch die sonstige Luftfahrt-Infrastuktur wie Radar oder Tower wurde gut versteckt in der Nähe bereit gehalten. Insgesamt waren die Autobahn-Behelfsflugplätze so konzipiert, dass sie innerhalb von 24 Stunden einsatzfähig gewesen wären. Im Westen gab es rund zwanzig dieser Eirichtungen, in der ehemaligen DDR etwa zehn. Etliche sind mittlerweile zurückgebaut worden, manche sind bis heute zu erkennen – was nach dieser detaillierte Beschreibung jetzt ja leichtfallen dürfte.
    Was sich bei uns leider nur unzureichend durchgesetzt hat, ist Kunst an der Autobahn. Die Franzosen verstehen es besser, das ermüdete Fahrerauge von der Eintönigkeit der Asphaltpiste abzulenken. An der A4 zwischen Straßburg und Paris zum Beispiel hat man die Böschungen, anstatt sie zu bepflanzen, mit bunten Kugeln, Zylindern, Pyramiden und Kuben bestückt, deren Farbe im Lauf der Jahrzehnte zwar verblasste, die aber immer noch den guten Willen des Machers erkennen lassen, die vorbeifahrenden Kilometerfresser optisch zu bespaßen.
    Ein wahres Feuerwerk der Autobahnkunst fackeln die Franzosen allerdings erst auf den Parkplätzen neben ihren Autoroutes ab. Dort rastet man im Schatten der eigentümlichsten Skulpturen und Plastiken. Die A34 rühmt sich, in den Ardennen an einem Rastplatz »Woinic«, das weltgrößte Wildschwein stehen zu haben. Es ist acht Meter hoch, wiegt um die fünfzig Tonnen und schaut eher griesgrämig als gutmütig. Angeliefert wurde es auf einem Sattelschlepper, und zwar unzerlegt! Aus meiner Sicht stehen die Schwierigkeiten beim Transport und die Freude beim Anblick in keinem allzu überzeugendem Verhältnis.
    Auch andere Gegenden weisen mittels Rastplatzkunst auf ihre regionalen Spezialitäten hin. Die ostfranzösische Bresse als Hühnerhochburg grüßt den Reisenden an der A39 mit einem kühn geschwungenen, metallischen Federvieh, das aus meiner Sicht im Bereich des Hinterns ein wenig unschmeichelhaft geformt wurde.
    Ein anderer Betonklumpen an der A7 Richtung Marseille ist kein überschüssiges Baumaterial einer Hochhaussiedlung, sondern das »Sonnentor«. Es sieht aus wie ein Teilstück der Berliner Mauer, aus dem mittig ein großer Betonkreis herausgestanzt wurde. Weil es wohl Probleme beim Abtransport gab, wurde der überschüssige Kreis einfach danebengestellt. Um darin das Sonnentor zu erkennen, braucht es schon eine gehörige Portion Phantasie.
    Mein absoluter Liebling im weiten Feld der französischen Autobahnseitenstreifenkunst begegnet dem Voyageur auf dem Weg in die Normandie an der A13. Es handelt sich um eine riesige Metallkugel, aus der zwei unterschiedlich lange Metallpfeile dynamisch gen Himmel streben, insgesamt mindestens zwanzig Meter hoch. Auch seitlich gehen von der Kugel Pfeile ab, die für meine Begriffe gefährlich weit in die Fahrbahn hereinragen. Was man für die plastische Umsetzung des sozialistischen Slogans »Vorwärts immer, rückwärts nimmer« halten könnte, nennt sich in Wirklichkeit »Auf den Spuren der Wikinger« und hat mit dem bekannten Honecker-Zitat ansonsten nichts zu tun. Aber ich könnte mir vorstellen, dass sich das Ding im Vorgarten als Blitzableiter ganz gut machen könnte.
    Wenn wir gerade dabei sind, Frankreich als Vergleich heranzuziehen, ist es eine gute Gelegenheit, mit einem deutschen Irrtum aufzuräumen. Oder, um genau zu sein, mit einem Hamburger Irrtum. Der Hanseat ist ja neben dem Kölner der Großstädter in Deutschland, der Kritik an seiner Heimatstadt am wenigsten zulässt. Bundesweit wird die Meinung vertreten, dass das Wetter in Hamburg im Schnitt wohl nicht so sonnig und warm ist wie zum Beispiel in Freiburg. Weil an Hamburg aber grundsätzlich alles schön ist, stellen die Hansestädter diesen Fakt beharrlich in Abrede und kaufen sich – wie zum Beweis des Gegenteils – haufenweise Cabriolets. Falls es Sie beruflich mal dorthin ziehen sollte, glauben Sie den Hamburgern in diesem Punkt kein Wort ! Natürlich ist das Wetter durchschnittlich im Süden schöner als im Norden – und genau, um das zu beweisen, möchte ich Frankreich als

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