Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
verordnet. Die etwa medizinballgroßen Kugeln bestehen auf der oberen Hälfte aus poliertem, silberfarbenem Blech, das untere Element bildet eine Glashalbkugel. Zumindest im Bereich Straßenbeleuchtung hat die Masch-Metropole damit einen Platz in meinem die Einheitlichkeit liebenden Herzen sicher.
Allerdings kommt kein noch so wohlgeformtes, modernes Modell an den heimlichen Star der Straßenbeleuchtungsszene heran: die Gaslaterne. Wo auch immer sie heute noch leuchtet, möchte man sofort eine Wohnung in der Bel Étage beziehen. In ihrem weichen Licht fangen die Menschen auf offener Straße an, Charleston zu tanzen, erwarten, an der nächsten Häuserecke auf Erich Kästner zu treffen, oder summen zumindest leise die »fesche Lola« vor sich hin, so weimarerrepublikanisch wird’s uns im Kegel des Gasscheins zumute.
Gut die Hälfte der 80000 deutschen Gaslaternen leuchtet in Berlin, gefolgt von Düsseldorf, Frankfurt am Main und Mainz. Leider handelt es sich wegen Energiebedarf und Wartungskosten um ein recht kostspieliges Vergnügen, deswegen ist der schöne Schein des Gases nicht wenigen Politikern ein Dorn im Auge und befindet sich in einigen Städten in konkreter Ersetzungsgefahr. Mein Vorschlag wäre ja: eine Autobahn durch unbesiedelte Landstriche weniger – und im Gegenzug die Rettung aller Gaslampen. Aber meine Dienste als salomonischer Mediator werden wohl auch in diesem Punkt mal wieder nicht in Anspruch genommen.
Viel teurer als Gasbeleuchtung kann ja dieses schreckliche, leicht ins Rot gehende Aufblitzen vom Straßenrand her sein, das meist ein Bußgeld wegen Geschwindigkeitsübertretung nach sich zieht. Ein kleiner Trost für den Raser mit Sinn für Stil ist vielleicht, dass die »Flitzerblitzer« (da wären wir wieder bei der Ostseewelle) zunehmend in ansprechendem Exterieur daherkommen. Der sogenannte Traffitower aus dem Hause Jenoptik darf sich sogar eines Designpreises ob seines eleganten Aussehens rühmen. (Den Text ab hier bitte mit der Walter-Freiwald-Betonung aus »Der Preis ist heiß« lesen.) Mit seiner klaren Formensprache und seinem Körper aus gebürstetem Edelstahl wäre er eine Zierde für jede offene Küchenzeile. Der »Poliscan Speed« aus der Wiesbadener Blitzermanufaktur Vitronic dagegen besticht durch sein Bicolor-Gehäuse in klassischer Röhrenform. Wie die Stele eines modernen Künstlers ragt der etwa zwei Meter hohe Turm aus dem Boden, abwechselnd matt silber und schwarz glänzend.
Das Fiese (jetzt Walter Freiwald bitte wieder abstellen): Der Poliscan Speed ist in der Lage, gleich mehrere Spuren gleichzeitig zu überwachen und ist aus Sicht der Behörden somit nicht nur schick, sondern auch effektiv. Als absolut effektiv haben sich auch die festen Blitzer an den deutschen Autobahnen erwiesen. Die Königin der kostspieligen Fotografien thront auf dem Bielefelder Berg an der A2: Rund 50000 Autos pro Fahrtrichtung preschen täglich an ihr vorbei, ein guter Teil davon schneller als die hundert Sachen, die erlaubt sind. Bei Errichtung der Anlage gingen die Bielefelder Behörden davon aus, dass ihnen etwa 15000 Raser per anno ins Netz gehen würden. Tatsächlich war diese Zahl schon nach einem Monat erreicht, woraufhin man eine eigene Behörde mit sechzehn Mitarbeitern etablierte, nur um die Bußgeldbescheide dieser fleißigen Blitzerkönigin zu bearbeiten. Arbeitsbeschaffungsmaßnahme auf Ostwestfälisch.
Meine Lieblingsradarfalle steht an der A3 am Elzer Berg bei Limburg. Sie ist derart retro, dass man ihr Erfolge kaum mehr zumutet: eine riesenhafte Schilderbrücke überspannt die Autobahn und erlaubt auf den beiden linken Spuren hundert, rechts für die Lkw am steilen Hang nur vierzig. Kilometerweit kann man schon erkennen, dass sich unter den Zahlen Löcher befinden, aus denen es blitzt. Trotzdem findet sich immer irgendein Trampel, der reinrasselt.
Das kann man übrigens ganz hervorragend auch provozieren. Der Trick geht so: Wechseln Sie etwa zehn Kilometer vor dem Elzer Berg auf die ganz linke Spur, der Rasthof Heiligenroth ist eine ziemlich gute Orientierung. Drosseln Sie ihre Geschwindigkeit auf rund 110 Stundenkilometer. Da in diesem Bereich zunächst kein Tempolimit gilt, wird früher oder später jemand von hinten angeschossen kommen. Bleiben Sie auf der linken Spur. Fahren Sie weiterhin 110 Stundenkilometer. Ignorieren Sie Hupen, Blinken, Keifen und Gestikulieren Ihres Hintermannes. Sobald die erste Blitzerbrücke am Horizont erscheint (es gibt deren zwei), wechseln Sie
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