Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
das Feld. Damit war auch das Ende der »Freien Republik Schwarzenberg«, wie diese Zeit heute meist genannt wird, besiegelt.
Nur weil eben der Kreis Stollberg genannt wurde, hier noch rasch die Mahnung an alle Navi-Nutzer: Nach dem Programmieren nicht die Birne ausschalten! Stollbergs zum Beispiel gibt es in unserem Land wie Sand am Meer. Eins im Erzgebirge, zwei in Nordfriesland und eins im Kreis Passau. Und dann existieren auch noch zwei Stolbergs mit einem »l«, das eine bei Aachen, das andere im Harz. Es ist also schon einigermaßen von Relevanz, dass man vor der Fahrt das Richtige eingibt und bei aufkommenden Zweifeln im Lauf der Reise auch mal der Logik eine Chance gibt. Wenn Sie beispielsweise ins niederbayrische Stollberg wollen, aber fünf Kilometer vor Erreichen des Ziels linker Hand immer noch die Nordsee liegt, ist es an der Zeit, sich mit dem Gedanken an einen mächtigen Griff ins Klo vertraut zu machen.
Noch kniffliger ist es, das richtige Neustadt zu finden. Gleich 21 selbständige Städte und Gemeinenden gibt es mit diesem Namen, darunter mit Titisee-Neustadt und Neustadt-Glewe außerdem zwei Doppelnamen. Sogar 36 Neustadts (oder deren jeweilige Übersetzung) aus sechs Ländern haben sich unter dem Namen »Neustadt in Europa« zur größten Städtefreundschaft unseres Kontinents zusammengeschlossen. Zu den jährlichen Treffen reisen bis zu eintausend Neustädter in eine jeweils gleichnamige Partnerstadt und lassen den europäischen Gedanken hochleben. Sich selbst aus dem Rennen geschossen hat sich dahingehend 1892 übrigens Bad Harzburg. Was nämlich viele nicht wissen: Auch dieser Ort hieß zunächst Neustadt. Allerdings kam das den kurstädtischen Nordharzern irgendwann zu poplig vor, weswegen beim Herzoglich braunschweigisch-lüneburgischen Staatsministerium ein Name mit mehr Pomp beantragt wurde. 1892 schließlich erging die Erlaubnis, sich aufgrund einer benachbarten Ruine Bad Harzburg zu nennen. Nicht sehr viele Städte gibt es, die in den letzten 150 Jahren ihren Namen komplett geändert haben. Eins der raren Beispiele neben Bad Harzburg ist Bremerhaven. Wobei die leidgeprüften Bewohner dort schon daran gewöhnt waren, sich regelmäßig mit einem neuen Namen abzufinden. Einer der Ursprungsstadtteile, Geestendorf, wurde 1888 von der Stadt Geestemünde geschluckt, die dann wiederum 1924 mit der Stadt Lehe die Stadt Wesermünde bildete. Wesermünde hinwiederum wurde 1947 aus der Provinz Hannover ausgegliedert, dem Land Bremen zugeschlagen und fortan Bremerhaven genannt. Der Grund: Die Amerikaner hatten Wesermünde zu ihrem Nachschubhafen auserkoren, deswegen wurden Bremen und das neue Bremerhaven Teil der amerikanischen Besatzungszone, während der Rest Niedersachsens bei den Briten verblieb. Hätte man vorher geahnt, dass die Hafenstadt innerhalb von 59 Jahren vier Mal ihren Namen ändern würde, hätte man eine Briefpapier-und Stempelmanufaktur dort angesiedelt und wäre aufgrund des nie versiegenden Nachschubbedarfs ein reicher Mann geworden.
Einen Namenswechsel aus anderer Motivation hat im Jahr 1971 die heutige Gemeinde Hochborn im Rheinhessischen hingelegt. Der Ort hieß bis dahin Blödesheim und litt in der Region ein wenig unter seinem Ruf. Gegen den Willen des eigenen Bürgermeisters setzten sich die Blödesheimer damals durch und stimmten in einer Befragung für Hochborn. Der Bürgermeister soll noch Jahre später private Post mit dem Aufdruck des alten Ortsnamens verschickt haben. Er hätte ja unter Protest sein blödes Heim verlassen können und sich mit einer richtigen Wut im Bauch im 26 Kilometer entfernten, haha: Zornheim niederlassen können. (Tusch!)
Einen ähnlichen Kampf haben übrigens die acht Einwohner des Weilers Plöd im Kreis Rosenheim ausgefochten und für sich entschieden. Dort im Oberbayrischen herrscht ja noch der Brauch, die Bauern mit einer Mixtur aus Vorname und Herkunftsort anzusprechen. Und ganz ehrlich, Plöder-Sepp oder Plöder-Maria klingt echt nicht schmeichelhaft. Der Ort hört seit dem 1. April 2009 auf den Namen Oberkraimoos.
Wer mit offenen Augen durch unser Land fährt, findet immer wieder Siedlungen mit einladenden Bezeichnungen. Nicht hungrig sollte man das Filstal oberhalb Göppingens durchqueren: die fast benachbarten Orte Süßen und Kuchen lassen nur hartgesottene oder sehr satte Menschen nicht vom Naschen träumen. Wer allerdings erwartet, es rieche dort wie in der märchenhaften Backstube aus der Lindt-Werbung, wird bitter enttäuscht.
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