Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)
Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe richtig. Falls sich die Gespräche allerdings um die Schiffahrt auf Salzwasser drehen, ist natürlich nicht Karlsruhe, sondern das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie mit seinen beiden Dienstsitzen in Hamburg und Rostock der richtige Ansprechpartner. Und wenn beim Straßenbau Wasser gar keine Rolle spielt, ist er eine Aufgabe für die Bundesanstalt für Straßenwesen, die im rheinischen Bergisch-Gladbach logiert. Ist das nicht alles ganz prächtig geregelt?
Die Arbeitslosenzahlen kommen allmonatlich aus Nürnberg, sonstige Statistiken aus Wiesbaden, Patente werden in München und Jena verwaltet, und Inhaber von Vermögenswerten in den neuen Bundesländern können eventuelle Ansprüche vom Bundesausgleichsamt prüfen lassen, das in Bad Homburg vor der Höhe beheimatet ist. Bei Gefahr im Verzug ist entweder das Bundeskriminalamt zuständig oder der BND, möglicherweise aber auch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dass die drei mit Wiesbaden, Pullach und Köln hunderte Kilometer auseinanderliegen, macht die Kommunikation und die Einigung auf Kompetenzen auch nicht gerade einfacher.
Da lobe ich mir doch den klaren Umriss der Aufgabenstellung der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein, einer Bundesoberbehörde unter der Aufsicht des Finanzministeriums. Hier wachen knapp zweihundert Mitarbeiter über Reinheit, Aufbereitung und Verwertung des in Deutschland hergestellten Fusels. Selbstverständlich auch dezentralisiert, nämlich in Offenbach am Main. Die Pointe bezüglich Schnaps und Offenbach überlasse ich in diesem Fall Ihnen.
Ich frage mich manchmal, was muss sich ein internationaler Hollywood-Star denken, wenn er zu uns nach Deutschland kommt? Er landet wahrscheinlich in Frankfurt, findet dort aber wenig von Bedeutung für ihn vor. Aus der kleinen Stadt mit dem großen Flughafen geht es weiter in die große Stadt mit dem kleinen (bzw. dem nicht fertig werdenden) Flughafen, nämlich Berlin. Dort gibt er einige Presseinterviews und nimmt einen Filmpreis entgegen. Weil sein Management dummerweise vereinbart hat, dass er Live in den Talkshows Riverboat und Beckmann auftritt, muss er als Nächstes nach Leipzig und dann nach Hamburg. Weil Amerikaner Late-Night-Shows lieben, lässt er sich auch noch auf einen kurzen Abstecher zu Harald Schmidt nach Köln ein. Am nächsten Tag steht abends ein Shooting in der Bravo-Redaktion in München an, was gut passt, denn auf dem Weg von Köln dorthin legt er noch einen kurzen Stopp beim ZDF-Mittagsmagazin in Mainz ein. Am nächsten Abend wiederum muss er im oberfränkischen Hof sein, weil die wichtigste deutsche Samstagabendshow dieses Mal live aus der dortigen Freiheitshalle gesendet wird. Was da um ihn rum in unserem lustigen föderalen Staat passiert, versteht der Hollywood-Star natürlich nicht, ihm dämmert nur, dass er beim nächsten Mal lieber Promotion in Frankreich machen will. Da trifft man alles, was Rang und Namen hat, ohne auch nur mit einem Zeh die Stadtgrenze von Paris überschreiten zu müssen.
Wo wir gerade bei unserem dezentralisierten Föderalismus und seinen ulkigen Folgen sind, können wir uns rasch noch um eine artverwandte Frage kümmern. Sie lautet: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Freistaat (Bayern, Sachsen, Thüringen) und einem Bundesland (die restlichen dreizehn)? Die Antwort: Es gibt keinen. Der Begriff Freistaat ist nichts anderes als die etwas missverständliche Übersetzung des Wortes Republik – und er sagt nichts anderes aus, als dass in einem Freistaat die Gewalt vom Volk ausgeht und die Staatsoberhäupter oder Regierungschefs per Wahl und nicht per Vererbung bestimmt werden. Im Falle Bayerns, man höre und staune, schwingt sogar ein Schuss Sozialismus mit, denn den ersten Freistaat Bayern hat der linke Revolutionär Kurt Eisner 1918 ausgerufen. Auch in Sachsen war der Begriff nach Kaisers Abdankung gebräuchlich und wurde deswegen 1990 nach dem Ende der DDR wieder eingeführt. Thüringen entschied sich erst drei Jahre später dafür – und zwar eher ohne historischen Kontext. Vielleicht hatte man in der damaligen CDU-geführten Landesregierung gehofft, der Begriff »Freistaat« mache die Unionsparteien an der Landesspitze ebenso unabwählbar wie vermeintlich in Bayern und Sachsen. Fakt ist auf jeden Fall, dass alle sechzehn Länder, egal ob normales Bundesland, Freistaat oder Freie Hansestadt, wie Bremen und Hamburg, denselben Status innerhalb der Bundesrepublik haben, da
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