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Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition)

Titel: Nichts kann ich mir am besten merken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Frühling
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Beispiel Braunschweig so unerträglich findet, dass er nur auf den nächsten ICE für die Flucht wartet, lebt nach dem anagramierten Motto »Rausch, bin weg«. Noch unglücklicher ist der Bewohner von Magdeburg (na klar, Sachsen-Anhalt), nämlich geradezu so unglücklich, dass es ihn vor »Gram beugd«. Falls Sie sich jetzt fragen, wie einem derart sinnentleerte Dinge durch die Rübe schwirren können, finden sie Antwort im Anagramm meines Namens: »Umfliegt Hirn.« Noch Fragen?
    Ach ja, Fliegen. War früher ja die einzige Möglichkeit, mal einen Überblick über unser schönes Land zu bekommen. Geht ja heute alles per Internet viel einfacher. Ich habe lange mit mir gehadert, ob ich mich mal bei »Wetten, dass ..?« anmelden soll. Wette: Dieser Irre behauptet, jeden deutschen Ort mit Stadtrecht am Luftbild zu erkennen. Aktuell gibt es davon 2064. So schwer ist das eigentlich nicht: Wenn man mal alle Menschen zusammenzählt, die man auf einem Foto erkennen würden, also Freunde, Verwandte, Politiker, Stars, Sportler und so weiter, käme man doch mindestens auch auf diese Zahl. Und die bestehen alle aus zwei Augen, Nase und Mund. Da unterscheiden sich die 2064 Orte mit Stadtrecht doch wesentlich gravierender. Allein schon in der Größe. Oder durch ihre Lage. Oder ob sie an einem nennenswerten Fluss liegen. Ob Autobahnen sie zerschneiden. Bausünden. Schlösser. Parks. Und, und, und. Schon allein anhand der typischen Struktur einer Plattenbausiedlung hebt sich die ostdeutsche von der westdeutschen Stadt ab. Von der Eifel über den Westerwald und das Sauerland bis nach Hessen überwiegt eine schwarze Bedachung, während die Schindeln im Süden überwiegend rot sind. Im Norden lässt das geestartige Flachland eine grobe Lokalisierung zu, südlich von Hannover und Köln kommt dagegen früher oder später immer irgendein Berg ins Bild.
    Sehr hilfreich bei der genauen Eingrenzung sind auch Autobahnen: Wenn eine rechts an der Stadt vorbeiführt, kann es sehr gut Soltau sein, aber niemals Münster. Schlängelt sie sich unterhalb der zu erratenden Stadt vorbei, mag es Kirchheim unter Teck sein, aber auf keinen Fall Peine. Natürlich gibt es hier auch falsche Freunde: Die halbkreisförmige Umgehungsstraße von Cloppenburg sieht von oben fast genau so aus wie die von Nienburg, gut, dass es die Weser zur Unterscheidung gibt.
    Richtig diffizil wird’s in Nordrhein-Westfalen. Von oben auseinanderzuhalten, ob der Häuserklumpen nun Waltrop ist, oder Lünen oder Datteln oder Oer-Erkenschwick, das ist wirklich nur was für den eingefleischten Connaisseur der Sat-Bild-Szene. Wobei NRW grundsätzlich recht einfach zu identifizieren ist, denn nirgends sonst gibt es so eine Vielzahl infrastruktureller Bauleichen wie dort. Wenn aus einem überdimensionierten Autobahnkleeblatt nur zwei dürre Straßenrinnsale entspringen, die einen Kilometer weiter auf eine unausgebaute Landstraße münden, dann wissen Sie, dass Sie in der Heimat der untalentiertesten Verkehrswegeplaner sein müssen.
    So viel zur Theorie meiner Wette. Schlussendlich verworfen habe ich die Bewerbung, als ich Bitburg mit Coburg verwechselt habe, vorübergehend sogar für Schwandorf hielt, und mir dämmerte, dass ohne wochenlanges Üben eine Blamage unausweichlich wäre.
    Eine andere Möglichkeit, Städte per Luftbild auseinanderzuhalten, wäre, Ämter von oben zu erkennen. Kaum ein anderes Land hat es geschafft, in einem Anflug von föderalem Wahnsinn so viele Institutionen quer über die Republik zu verstreuen wie wir. Nicht genug damit, dass sich unsere Bundesministerien auf zwei Städte verteilen (Berlin acht, Bonn sechs), auch die ihnen unterstellten Bundesämter wurden dezentralst in alle Himmelsrichtungen verteilt. Will der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung beispielsweise mit seinen Untergebenen des Kraftfahrt-Bundeamtes tagen, muss er ein Ticket von Berlin nach Flensburg lösen. Oder nach Dresden, falls er zur Außenstelle will. Geht es um Eisenbahnfragen, führt ihn seine Reise ins Eisenbahn-Bundesamt nach Bonn. Beim Sujet Luftfahrt lautet sein Ziel Braunschweig, denn dort haben sowohl das Luftfahrt-Bundesamt als auch die »Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung« ihren Sitz. Dreht sich das Gespräch allerdings nicht um einen Unfall, sondern um Prävention, ist das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im hessischen Langen zuständig. Soll es in persönlichen Unterredungen um den Unterhalt von Wasserstraßen gehen, ist der Minister bei der

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