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Nichts

Nichts

Titel: Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Louis
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Handzeichen.
       „Okay, lasst uns sehen, was passiert…!“, fuchst dieser.
     
    In diesem Moment ertönt im ganzen Saal ein lauter, dröhnender Signalton. Einmal, zweimal, drei…, schlagartig gehen alle Lichter aus und es ist - bis auf das leichte Streiflicht, das der große Monitor jetzt auf den Tisch wirft - stockdunkel. Auf dem Bildschirm selbst kann ich die von Barkley angepriesenen Tabellen und farbigen Grafiken erkennen. Aber ich kann auch, beinahe wie bei einem Hologramm, durch diesen Monitor hindurchschauen. So erkenne ich mir gegenüber, wenn auch leicht verschwommen, meinen buddhistischen Partner mit seiner auffälligen, aufgeblasenen, lustigen Kappe. Er holt tief Luft und betrachtet konzentriert die jetzt startende Aufzeichnung der Kollision. Ich fokussiere den Blick daher neugierig auf meine Seite des Monitors und erkenne auch schon das Tau-Neutrino, wie es von schräg unten in den Duplex-Detektor eintaucht und sich langsam seinem Zentrum nähert. Von rechts bewegt sich ein Proton auf den geplanten Kollisionspunkt, wie an einer Schnur gezogen zu. Eine Meisterleistung der Technik. Derartige Präzision und Schönheit habe ich noch nie zuvor gesehen. Nun treffen sich beide Teilchen und es scheint für einen Moment so, als ob sie sich vereinigen wollten. Wie beim Zusammenstoß zweier Billardkugeln springt das Tau-Neutrino, ansonsten völlig unbeeindruckt, wieder nach unten weg. Das Proton allerdings, durch den Aufprall scheinbar erregt, gebärt weitere Teilchen. Der Säugling Müon entscheidet sich dazu, seiner Mutter in einer geraden Flugbahn hinaus in die große Welt zu folgen. Sein Schwesterchen dagegen, das soeben geborene Meson, hüpft nun einen schwindelerregenden Tanz und dreht sich dabei, fast wie in Trance, spiralförmig in die entgegengesetzte Richtung - um dort weiter zu zerfallen. Der kleine Pion entscheidet sich, zwar etwas befangen, aber dann doch dazu, ebenfalls seiner Erzeugerin zu folgen. So wundersam es auch sein mag Teilchen zu beobachten, die so unvorstellbar klein sind, dass man sie nur anhand der von ihnen ausgestrahlten Energiewellen mithilfe gigantischer Computer rekonstruieren kann - ich vermag nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Müonen, Pionen, Mesonen, Hadronen… alles alte Freunde. Weit und breit nichts anormales, erst recht kein Higgs-Boson oder Bomion. Was sagte Barkley? Ich soll nicht in meine alten Muster verfallen. Sollte mich auf meinen Partner konzen…
      
    Jäh - ohne die geringste Vorwarnung - dringt ein stumpfer Gegenstand in mein Gehirn. Drückt vor und zurück, dreht und windet sich, bis er den Weg ins Rückenmark findet um dann meine Wirbelsäule der Länge nach zu durchstoßen. Noch bevor ich darauf schmerzverzerrt reagieren kann, verlassen mich meine Sinne. Genau so muss sich ein Fernsehapparat fühlen, dem man unvermittelt, im laufenden Programm, seinen Stecker zieht.
       Ein infernaler Blitz trifft mich so brachial, dass mir buchstäblich die Lichter ausgehen.
       Zip!
       In der schwarzen, dunklen Weite meines Bewusstseins gefangen, höre ich einen leisen, einfarbigen Ton. Erst allmählich formt und gestaltet er sich in etwas Materielles. Melos. Vielleicht eine ferne, melodische Stimme. Konzentriert versuche ich mich an diesen Gesang zu erinnern. Dabei öffnet sich um mich herum ein prachtvolles Bild. Wie aus einem kosmisch dunklen Zeitalter heraus, entstehen plötzlich bunte, zuckende Wellen. Eine Gischt aus transparenten, klaren Farben und hellen Punkten. Der feenhafte Schleier einer gigantischen Seifenblase rast an mir vorbei. Eine vollkommene Sinfonie. Die Erhabenheit des Universums durchdringt und erfüllt mein Inneres, als ich erneut in ein Loch, ein dunkles Nichts stürze. Wieder nur diese Melodie. Leise, fern! Milliarden Lichtjahre entlegen. Nun kommt es mir vor, als ob ich völlig schwerelos durch einen finsteren, kalten Ozean treibe. Mitten hindurch prächtiger Quallen,  gallertartigen Medusen, die mich mit ihren strahlenden und flimmernden Tentakeln vorsichtig berühren. Zerfetzte Galaxien.
       Je genauer ich hinschaue, umso mehr gleichen sie riesigen Planktonfeldern, ziellos durch einen Ozean treibend. Ich tauche durch tanzende Wolken aus Staub und Gas. Magie! Erkenne, wie sie sich zu Gebilden formen und zusammenschließen. Bis sie immer seltener werden und dann, ganz allmählich verschwinden. Ein dumpfer Rhythmus ertönt. Ich höre den Herzschlag des Kosmos, der sich betulich in dunstige Wolken aus Licht verwandelt und nun an mir

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