Nichts
Blick wert und so steigen wir höchst irritiert aus dem Fahrzeug.
Lake Havasu war mal eine rund drei Meilen breite Wasserzunge des Colorado River, und somit fast ein ausgewachsener See. Dieser gab der Stadt auch ihren Namen. In den letzten Jahren, als wir noch zu Erholungszwecken herkamen, haben wir zwar auch schon Veränderungen des Wasserstandes wahrnehmen können, doch das Bild, auf das wir gerade schauen, ist mehr als eine Veränderung. Der Fluss ist nicht mehr da! Weg. Schlicht und ergreifend ausgetrocknet!
Gut, das Problem der Trinkwasserversorgung ist bekannt, schließlich einer der Gründe für unsere Flucht aufs Land. Doch betraf dies bislang eher Ballungszentren und Gegenden, die nicht über natürliche Wasservorkommen verfügen und auf die Wassertransporte angewiesen waren. Das komplette versiegen von großen Flüssen aber, macht aus meiner Sicht keinen Sinn!
Verschmutzen vielleicht, aber austrocknen?
„Das ist jetzt nicht wahr, oder?“, schaut mich Leann mit großen Augen an.
Mir ist nicht klar, ob sie sich an Charlize oder Charlize sich an ihr trostsuchend festhält.
„Okay Leute!“, mache ich mir selbst Mut. „Lasst uns die Sache hinter uns bringen… oder hat es sich jemand anders überlegt?“
Keine Reaktion.
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch setzen wir unseren Ausflug also fort und erreichen auch schnell den Ortseingang. Die Stadt selbst verläuft parallel zum Flussbett und zieht sich über gut acht Meilen. Als erstes passieren wir einen einsam gelegenen Home-Depot Baumarkt. Fast im Leerlauf schleichen wir daran vorbei, um uns einen ersten Eindruck der aktuellen Lage zu machen.
Aufatmen!
„Parkende Autos!“, stellt Julie erleichtert fest. Wir hatten es bislang nicht ausgesprochen, doch unsere Angst, die Stadt könnte ebenso wie der Colorado ausgetrocknet sein, lag in der Luft.
„Ja. Nicht viele, aber der Laden scheint offen zu sein.“
„Lasst uns doch gleich unsere Liste abarbeiten ,“ schlägt Anny vor.
„Ich würd’ vorher lieber schauen, ob die Tankstellen im Ort noch offen sind…“, wende ich ein. „Und dann mit dem Gun-Shop anfangen wollen.“
Nicht ganz grundlos spüre ich einen starken Drang, mich mit Munition einzudecken. Mit viel Munition. Kistenweise!
Könnte jetzt gut einen Trailer gebrauchen.
Wir nähern uns dem Zentrum. Vorbei an vereinzelten Geschäften und Abzweigungen, die in kleinere Wohngebiete führen. Es wirkt alles recht sauber, wenn auch nicht wirklich deutlich auszumachen ist, ob Läden geöffnet oder Häuser bewohnt sind. Es fallen zahlreiche For-Sale Schilder auf, die zusammen mit den vertrockneten Grünanlagen jedoch ein handfestes Zeichen abgeben. Unheil, Verderben, Heimsuchung. Früher war Havasu, gerade zu dieser Jahreszeit ein Erholungsort für Rentner, die so genannten Snow-Birds. Die Stadt war tatsächlich das pulsierende Leben selbst - auch wenn ihre Bewohner nicht ganz so frisch daherkamen. Im direkten Vergleich zu früher, wäre jetzt die Umschreibung Geisterstadt weit angebrachter. Es kann aber auch sein, dass mein Eindruck durch das geräuschlose Dahingleiten des Hybrids, der nun auf Batteriebetrieb umgeschaltet hat, etwas beeinflusst wird. Meine beiden Frauen jedenfalls scheinen ebenso bewegt zu sein wie ich und schweigen beklommen.
Endlich kommt uns ein Auto entgegen! Es fährt nicht wesentlich schneller als wir. Einer der hier üblichen Pick-Ups. Die Insassen – natürlich Snow-Birds - gaffen ebenso indiskret zu uns rüber wie wir zu ihnen. Schätzen undiplomatisch ab. Verdrehen die Köpfe, so dass ihr Wagen kurz von der Spur kommt. Im Rückspiegel beobachte ich den kräftigen Schlenker. Den darauf folgenden Anschiss der Beifahrerin kann ich jedoch nur erahnen.
„Opa, siehst du! Ein Hund. Da!“, macht mich Stephan auf den Golden Retriever auf der Ladefläche des Pick-Up’s aufmerksam und erinnert so an sein zuvor geäußertes Begehren.
Ebenso ergraut wie seine Halter, muss ich beim Anblick des Hundes denken.
„Ich sehe, Buddy!“
Beim Weiterfahren fällt mein Blick, wann immer die Bebauung dies zulässt, auf das gigantische, ausgetrocknete Flussbett des Colorado River. Ungläubiges Kopfschütteln. Je weiter wir uns dem Zentrum nähern, umso mehr Fahrzeuge begegnen uns. Gott sei dank. Sogar ein Streifenwagen des hiesigen Sheriffs, womit Gesetz und Ordnung noch intakt wären, mutmaßt Leann.
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