Nick aus der Flasche
Blütenblätter der Sonnenblume wären nicht länger gelb, sondern jede Blüte hätte eine andere Farbe. Wie ein Regenbogen. Er schloss die Lider, konzentrierte sich scharf und schnippte.
Als er ein »Oh« hörte, wusste er, dass es geklappt hatte.
»Nick!« Emmas Augen strahlten, während er ihr die bunte Blume überreichte. »Sie ist wunderschön! Und sieht aus wie die Skulptur …«
»… in deinem Garten.« Erleichtert atmete er auf. »Ich bin aber noch nicht so gut im Zaubern, weil Solomon es mir verboten hatte.«
Emmas Gesicht wurde ernst. »Irgendwie habe ich immer gespürt, dass Mr. Solomon etwas mit deinem Verschwinden zu tun hatte. Wenn du nicht der Einzige bist …« Ihre Augen wurden groß. »Die anderen Flaschen, die diese seltsame Organisation abgeholt hat …«
Er nickte. »Ja, da sind auch überall verschwundene Kinder drin.«
»Oh mein Gott. Man muss doch was tun können? Ich könnte Frank informieren. Er war ein Kollege meines Mannes und arbeitet noch im Polizeidienst.«
»Niemand würde dir glauben. Außerdem wissen wir nicht, wer die Flaschen jetzt hat.« Die Adresse vom Magiernet, wie hatte sie noch mal gelautet? Vielleicht könnte er dort etwas herausfinden. »Solomon ist tot, immerhin kann er niemandem mehr schaden.«
Als plötzlich die Tür aufging und eine Krankenschwester eintrat, verstummte Nick sofort. Sein Herz klopfte heftig, weil er Emma noch nicht gebeten hatte, sein Geheimnis nicht zu verraten, doch sie legte die Hand auf seinen Arm, als wüsste sie, was er dachte.
»Mrs. Warren braucht Ruhe«, sagte die brünette Frau, nahm ihr mit einem »Die ist aber hübsch« die bunte Blume ab, um sie zurück in die Vase zu stellen, und hantierte dann am Tropf.
Nick stand auf und drückte noch einmal Emmas Finger. »Wir kommen gleich morgen nach der Schule.« Dabei warf er einen flüchtigen Blick auf Julie, und als sie nickte, atmete er auf.
»Du gehst zur Schule?«, fragte Emma lächelnd.
»Hm. Wieder. Heute war mein erster Tag.«
»Warst schon immer ein schlauer Kerl.« Ihr Lächeln sah beinahe aus wie früher. Danach wandte sie sich an Julie. »Pass mir nur gut auf ihn auf.«
»Das tut sie«, sagte er und dachte an den schlimmen Unfall – von dem sie Emma ebenfalls nichts erzählt hatten.
»Also, dann bis morgen«, sagte er, während er sie noch einmal umarmte und flüsterte: »Bitte, erzähle keinem, was ich bin.«
»Ich riskiere doch auf meine alten Tage keine Einweisung ins Irrenhaus.« Fest drückte sie ihn an sich und küsste ihn auf die Wange. »Du glaubst nicht, wie erleichtert ich bin.«
»Und ich erst.« Während er sich von ihr löste, zwinkerte sie sich eine neue Träne aus dem Auge.
Nick winkte Emma, bis er mit Julie zur Tür draußen war, und ließ sich im Flur gegen die Wand sinken. Er war glücklich, traurig, erleichtert, verwirrt … alles zur selben Zeit. »Ich habe mit ihr gesprochen. Kann’s noch gar nicht glauben.«
»Sie hat es erstaunlich gut aufgenommen.«
»Emma ist eben eine starke Frau. War sie schon immer«, murmelte er.
Er musste so durcheinander wirken, dass Julie fragte: »Soll ich nach Hause fahren?«
»Hm.« Er überreichte ihr den Autoschlüssel und stieß sich von der Wand ab. »Darf ich an der Rezeption deine Telefonnummer hinterlassen, damit ich informiert werde, falls mit Emma etwas sein sollte?«
»Natürlich. Wenn du mich wieder an den Geistern vorbeimanövrierst.«
Lächelnd legte er einen Arm um ihre Schultern und verließ mit ihr das Krankenhaus.
*
Julie freute sich, denn das Autofahren hatte wunderbar geklappt. Nick hatte nur ein Mal ins Lenkrad gegriffen, als sie zu sehr in die Fahrbahnmitte geraten war, ansonsten hatte er ihren Fahrstil gelobt, im Gegensatz zu Connor, der sie ständig korrigiert hatte, als sie mit ihm geübt hatte.
Julie parkte den Wagen in einer Seitenstraße, damit ihre Eltern ihn nicht sahen, und stellte den Motor ab. Nick wirkte immer noch nachdenklich. Was mochte ihm wohl alles durch den Kopf gehen?
»Hey, sie hat es doch gut aufgenommen«, sagte Julie.
Seufzend legte er den Kopf zurück. »Ich wünschte, es wäre schon morgen. Ich möchte ihr noch so viel erzählen und wissen, was sie in all den Jahren erlebt hat.«
»Emma läuft nicht weg. Das kannst du sie morgen alles fragen.«
»Ich bin echt froh, dass sie es nun weiß.«
»Und wie geht es dir?«, fragte Julie.
»Bin nur ein wenig durcheinander, aber ansonsten geht es mir wirklich gut.«
Sie merkte trotzdem, dass er den
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