Nick aus der Flasche
große Liebe gewesen. Als er erneut zu Emma blickte, lächelte sie, und es war noch dasselbe bezaubernde Lächeln wie früher.
Sein Herz verkrampfte sich.
»Ich war noch ein Mädchen, ungefähr in deinem Alter«, fuhr sie fort, »als er beschloss, hier einen Job anzunehmen. Ich habe mich sehr für ihn gefreut, denn das Angebot klang verlockend. Wir wollten bald zusammenziehen und heiraten. Ich war so wahnsinnig verliebt in ihn, ich wäre mit ihm sogar unter eine Brücke gezogen, wenn wir nur zusammen gewesen wären.« Plötzlich huschte ein Schatten über ihr Gesicht. »Er hätte bei einer großen Firma anfangen können, gut verdienen und kostenlos bei Mr. Solomon wohnen, wenn er ihm im Haushalt half. Nick fuhr mit dem Bus davon und hat sich nie wieder gemeldet.«
Er hielt die Luft an. Emma sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Ihre blassen Augen schimmerten.
»Und was passierte dann?«, fragte Julie.
Emma räusperte sich. »Erst war ich sehr verletzt und enttäuscht, weil ich nichts von Nick hörte. Ich dachte, er hätte eine neue Freundin kennengelernt und mich vergessen. Aber sich gar nicht zu melden, war einfach nicht seine Art. Außerdem wäre er nie ohne seine Gitarre gegangen, die war sein Ein und Alles.«
Er hatte seine Gitarre tatsächlich geliebt und Emma viele Lieder darauf vorgespielt. »Ob sie meine Gitarre noch hat?«, flüsterte er in Julies Ohr.
»Haben Sie seine Gitarre noch?«, fragte sie.
Emma lächelte. »Natürlich. Ich habe sie all die Jahre aufgehoben.«
Nick schmolz dahin. Seine Emma … Mit ihr, das wäre die Liebe fürs Leben gewesen.
Auf einmal erfasste ihn solch eine Wut auf Solomon, dass er hoffte, er würde nicht aus Versehen etwas in die Luft sprengen. Der alte Hexer hatte ihm das Leben gestohlen, seine Emma, ihre Liebe, ach, einfach alles!
Julie beugte sich vor. »Und wie ging es weiter?«
»Ich machte mir große Sorgen, ob ihm etwas zugestoßen war. Bei Mr. Solomon ging niemand ans Telefon, aber Nick hatte mir einen Zettel mit der Anschrift hinterlassen. Daher fuhr ich zwei Wochen nach seinem Verschwinden hierher.«
Als Julie sich noch weiter vorbeugen wollte, erwischte Nick gerade noch eine Haarsträhne und zog sie daran zurück. »Hat sie mit ihm geredet?«
»Haben Sie mit Mr. Solomon gesprochen?«
Emma nickte. »Er hat behauptet, Nick wäre nie bei ihm erschienen.«
Sie war ihm so nah gewesen und er hatte nichts davon bemerkt! Solomon hatte mit keinem Wort erwähnt, dass nach ihm gesucht wurde. Wieso auch, Nick war kein Wesen der sterblichen Welt mehr, sondern das Eigentum des Zauberers.
»Und, haben Sie Mr. Solomon geglaubt?«, fragte Julie.
»Er klang ehrlich, doch irgendetwas störte mich an dem Mann. Er war sehr kurz angebunden und sah überhaupt nicht aus wie ein Geschäftsmann. Eher wie ein verrückter Professor, mit dem langen Bart und dem Bademantel. Also habe ich Nachbarn gefragt, aber die hatten keinen Kontakt zu ihm, da er sich kaum draußen blicken ließ. Niemand wusste, wer er war oder was er machte. Auch eine Firma konnte ich auf seinen Namen nicht entdecken. Schließlich machte ich den Busfahrer ausfindig, und der Mann erinnerte sich daran, dass Nick in der Straße, in der auch Mr. Solomon wohnte, ausgestiegen war.«
Sein Herz machte einen Satz. Er freute sich, dass Emma vehement nachgeforscht hatte, doch sie hätte dabei in Gefahr geraten können!
»Und wieso sind Sie hierher gezogen?«, wollte Julie wissen und nahm Nick die Frage vorweg.
»Wegen Bill«, sagte Emma.
Den fremden Männernamen aus ihrem Mund zu hören, gefiel ihm nicht.
»Das war Ihr Mann, oder?«
Sie lächelte traurig. »Ja. Ich lernte ihn kennen, als ich zur Polizei ging und ihnen meinen Fall schilderte. Bill versprach mir, nachzuforschen.«
Nick erinnerte sich: Julie hatte ihm erzählt, dass ihr Mann vor einigen Jahren an einem Herzinfarkt gestorben war. »Lebt sie allein?«
Julie nickte leicht, und er wusste, dass es ihm galt. »Kinder haben Sie nicht?«
Sie erinnerte sich an die Fragen, die er ihr aufgeschrieben hatte. Was für eine gute Herrin sie war. Nick seufzte leise, glücklich, an Julie geraten zu sein. Ohne sie wäre er jetzt nicht hier.
Emma schüttelte den Kopf. »Es sollte leider nicht sein.«
Ob er ihr Kinder hätte schenken können? Sie hatten früher darüber geredet, einmal eine große Familie zu haben.
»Hat Ihr Mann etwas herausfinden können?« Julie nahm einen Schluck von ihrem Tee, wobei ihre Hand zitterte. Sie war also genauso
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