Nick Perfect – Bruder per Post
einfallen.
Als das Gehämmere einfach nicht aufhören wollte, stöhnte ich und sah Pa an. Pa besteht zwar trotz meiner Proteste immer darauf, dass ich mit Annie spiele, aber wenigstens scheint es ihm leidzutun, dass ich in dieser grässlichen Situation bin.
» Auf in den Kampf, Torero«, sagte er und zeigte zur Tür.
Also erhob ich mich und schlurfte zur Tür. Als ich fast angekommen war, sagte Pa: » Warte, Ben.« Seine Miene schien sich ein bisschen aufzuhellen. » Das könnte ein erster Test sein, ob Nick als Mensch durchgeht. Bitte deine Freundin doch mal kurz herein.«
» Sie ist nicht meine… ach, egal.«
So langsam wie möglich machte ich die Tür auf, und Annie Banani rief: » Hi, Ben! Du hast mir ja soooooo gefehlt!« Dabei hatten wir uns vor zwei Stunden noch in der Schule gesehen! Ich bat sie herein, so genervt wie möglich. Habt ihr mal Mr Smithers aus den Simpsons gesehen, wenn ihn sein Boss, Mr Burns, zusammenstaucht? Ich war Mr Smithers– murrend und knurrend und mit einer Miene, als hätte man mich zum Tod verurteilt.
Annie folgte mir und bei Nicks Anblick rief sie: » Wer ist denn das? Der sieht ja aus wie du, Ben!« Annie baut in fast jeden Satz meinen Namen ein. Das nervt mehr als eine Killerbienenattacke.
» Das ist Nick, Bens adoptierter Bruder aus Frankreich«, sagte Pa zu Annie. » Er wird jetzt ein Weilchen bei uns wohnen.« Als Nick seinen Namen hörte, schlug er die Augen auf.
» Wow, cool!«, plapperte Annie munter. » Aber warum haben Sie ein Kind aus Frankreich adoptiert? Und wo ist seine Familie? Und wieso…«
In diesem Moment sprang Nick auf, lief zu Annie, gab ihr einen Handkuss und sagte: » Bonjour petite fille, comment êtes-vous? C’est un plaisir et un honneur de vous rencontrer.«
Annie kicherte. » Was hat er gesagt? Ich will sofort wissen, was er gesagt hat!«
Da ich nur wusste, was bonjour heißt, musste Nick es selber übersetzen.
» Ich habe gesagt: Hallo, meine Kleine, wie geht es Ihnen?«, erklärte der Roboter. » Und dass es eine Freude und Ehre ist, Sie kennenzulernen.«
O Bruder!
» Sag noch mal was aufFranzösisch«, verlangte Annie.
» Oui. Ich könnte noch viel mehr sagen, mein hübsches Kind«, erwiderte Nick. » Oder ich könnte Ihnen stattdessen etwas vorführen.«
Und der Roboter ließ Annies Hand fallen und fegte durchs Esszimmer und Wohnzimmer, machte Flugrollen und Räder rückwärts, vorwärts, seitwärts… Es war beeindruckend, aber viel zu schnell, wie eine Filmszene in doppelter Geschwindigkeit. So bewegte sich kein echtes Kind.
Ich war mir sicher, dass Nick den Roboter-oder-Mensch-Test gerade vermasselt hatte, aber Annie klatschte und rief begeistert: » Wow! Super!« Sie wandte sich zu mir. » Nick ist so cool!«
Ich starrte Pa an, der ganz verblüfft wirkte, als habe er von Nicks sportlichen Fähigkeiten gar nichts gewusst. » Kinder, geht doch mal raus an die Luft«, sagte er und wies mit dem Daumen zur Tür. » Vielleicht kann Nick später nachkommen.«
» Aber ich will mit Nick spielen!«, protestierte Annie.
Ich wusste, was ich zu tun hatte.
Tapfer– igitt! – legte ich meine Hand– igitt! – auf Annies Rücken – igitt! – und schob sie zur Tür hinaus. Nick bemerkte es nicht mal; er machte gerade etwas, das ich nur als einen Flickflack vom Sofa aus beschreiben kann, wobei seine Arme wie Windmühlenflügel in entgegengesetzte Richtungen wirbelten. Es war cool, aber total verrückt.
» Dein neuer Bruder ist unglaublich talentiert, Ben«, gurrte Annie.
» Ja«, sagte ich und ärgerte mich ein bisschen über Nicks Turnkünste. Ich kann Purzelbaum, aber das war’s dann auch schon.
Als wir in den Flur traten, hörten wir einen lauten Krach: Im Eifer des Gefechts war Nick gegen die Wand geprallt, und sein Augapfel war wieder herausgefallen. Annie schaute besorgt, aber ich zog rasch die Tür hinter uns zu. Wenn sie Nicks Auge herumkullern sah, rastete sie aus.
» Ist er okay?«, fragte sie.
» Mach dir keine Sorgen, dem geht’s gut«, beschwichtigte ich. » Der ist wie aus Stahl.« Das war als Witz gemeint, aber später erfuhr ich, dass Nicks Korpus unter der Kunsthaut tatsächlich aus Stahl und Titan bestand.
Aber es ist noch nicht später.
•••
Nachdem ich allein mit Annie im Aufzug runtergefahren war und das sogar überlebt hatte, gingen wir raus auf den Gehweg. Unser Haus ist nicht vornehm genug, um einen Portier zu haben, aber ansonsten gibt’s in unserer Straße eine Menge Portiers. Wenn ich mit
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