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Nick Perfect – Bruder per Post

Nick Perfect – Bruder per Post

Titel: Nick Perfect – Bruder per Post Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evan Kuhlmann
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Kerlchen gewesen und habe fast nie geweint oder gebrüllt. Zumindest hat sie solche Sachen über Lucien erzählt, als sie überhaupt noch von ihm gesprochen hat. Ist schon eine ganze Weile her.
    Lucien hat nur fünfzehn Monate gelebt. Hatte kaum Zeit, sich in der Welt umzusehen. Er ist in Paris auf einem Friedhof begraben, der Gentilly heißt. Ich war noch nie in Frankreich, habe Lucien also noch nie besucht, meinen einzigen Bruder.
    Ma und Pa wollten eigentlich in Frankreich bleiben und eine Familie gründen, aber nachdem Lucien gestorben war, beschlossen sie, in New York neu anzufangen. Sie zogen hierher, und irgendwann kam dann ich auf die Welt. Meine Eltern waren glücklich, dass ich mich normal entwickelte. Oder jedenfalls einigermaßen normal. Und dann entschieden sie, dass ein Kind absolut reichte.

    Im Flur hatte immer ein großes Foto von Lucien gehangen. Aber vor etwa zwei Jahren war es eines Tages verschwunden. Wahrscheinlich hatten Ma und Pa einfach keine Lust mehr, jedes Mal, wenn sie durch den Flur gingen, Luciens Bild zu sehen. Ich kann das verstehen, aber ich glaube auch, dass Kinder, die einen Bruder verloren haben, anders denken als Eltern, die einen Sohn verloren haben. In einer Schuhschachtel unter meinem Bett bewahre ich ein kleines Bild von Lucien auf. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich dieses Bild je wegwerfen würde. Ich darf doch nicht vergessen, wie Lucien aussieht!
    Das war also Luciens Geschichte. Es ist die traurigste Geschichte, die ich kenne.
    Und jetzt versteht ihr vielleicht, warum meine Ma so aufgewühlt war, als sie merkte, dass Nick aussah wie Lucien jetzt aussehen würde, wenn er gesund geboren worden wäre oder wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, ihn zu heilen.
    Und ich? Mir macht es nichts aus, dass der Roboter aussieht, wie mein echter Bruder ausgesehen hätte. Vielleicht denke ich dann öfter an Lucien, wenn ich viel mit Nick zusammen bin. Das ist okay. Obwohl Lucien nicht lange gelebt hat, hab ich ihn wirklich gern. Er war tapfer.

14.
    Während Ma in ihrem Zimmer weinte, saßen Pa, Nick und ich am Esstisch, alle im Trauermodus.
    » Ich bin so ein Idiot!«, sagte Pa schließlich kopfschüttelnd. » Wie konnte mir die Ähnlichkeit entgehen!«
    Ich dachte total angestrengt nach, was Ma und Pa wieder glücklich machen könnte, aber mir fiel nichts ein. Ich warf einen Blick auf Nick. Er wirkte leblos, war vielleicht in den Winterschlaf gefallen, obwohl man irgendwas in ihm rattern hörte, ein Rädchen vielleicht.
    Ein richtiger Scheißtag. Und dann wurde er noch beschissener.
    Plötzlich hämmerte jemand wie verrückt gegen die Wohnungstür. Und draußen stand tatsächlich eine Verrückte: So klopft nur die grässliche Annie Banani, wenn sie bei uns vorbeischaut.
    Annie Banani ist ein Mädchen, das ein Stockwerk tiefer wohnt. Ich wünschte, es wären Millionen von Stockwerken tiefer, auf der anderen Seite der Erde. Eigentlich heißt sie Annie Bonano, aber ich nenne sie Annie Banani, um sie zu ärgern, und früher hat es sie wirklich fürchterlich aufgeregt, aber inzwischen behauptet sie, es lasse sie kalt. Ich hoffe, sie lügt. Annie Banani zu ärgern, ist eins meiner Hauptziele im Leben.
    Und zwar deshalb, weil Annie Banani schon seit der ersten Klasse in mich verknallt ist. Man könnte ja meinen, dass so eine uralte Verliebtheit sich mit der Zeit abnutzt, aber nein, sie wird eher stärker. Glaubt mir, das ist nur von ihrer Seite. Ich mag ja gar keine Mädchen, vor allem nicht solche Zierpüppchen wie Annie. Die hat sogar gepiercte Ohren!
    Und lackierte Fingernägel!
    Und Glitzerlippenstift!
    Und Blumenkleidchen statt T-Shirt und Jeans.
    Igitt.
    Annie Banani sagt, sie und ich seien füreinander bestimmt und müssten heiraten, wenn wir älter sind. Soll ich euch mal was sagen? Ich würde lieber im Zoo mit einem Gorilla zusammenleben!
    Und obwohl ich sie täglich in der Schule sehe und manchmal auch noch im Skatepark, in der Bücherei, im Bagelshop und sonst wo, kommt Annie Banani mindestens einmal täglich vorbei, damit wir zusammen spielen können. Aber nicht coole Sachen wie Fußball oder Baseball, sondern Mädchenkram wie Fangen oder Drachenraub der Prinzessin (dreimal dürft ihr raten, wer der Drachen ist).
    Wenn Ma und Pa zu Hause sind, muss ich meistens mit Annie spielen. Wenn sie nicht zu Hause sind, sag ich ihr, sie soll abhauen; oder auf einen Berg klettern und mir eine Postkarte schicken, wenn sie oben ist. Ich lass mir immer wieder mal was Neues

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