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Nick Perfect – Bruder per Post

Nick Perfect – Bruder per Post

Titel: Nick Perfect – Bruder per Post Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evan Kuhlmann
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Dennis losziehe, laufen wir manchmal rum und grüßen die Portiers wie 4-Sterne-Generäle. Der Portier vor einem Gebäude, das The Edward heißt, grüßt dann immer zurück. Aber so was macht Annie natürlich nicht.
    Also standen wir bloß rum und sahen die Leute vorbeilaufen. In New York City rennen alle immer voll hektisch rum, auch wenn sie gar nicht wissen, wo sie überhaupt hinwollen. Ach ja, hab ich schon erwähnt, dass es Oktober war und irgendwie frisch draußen? Und dass ich vergessen hatte, eine Jacke anzuziehen? Ich wollte unbedingt wieder rein. Hoffentlich tauchte plötzlich ihre Ma auf und rief Annie zum Essen. Aber das würde wahrscheinlich nie passieren. Annie gehört zu diesen Kids, um die sich fast niemand kümmert. Ihr Pa hat sich schon seit Jahren nicht mehr blicken lassen. Und ihre Ma ist Cellistin bei den New Yorker Philharmonikern, aber selten daheim. Und wenn sie mal daheim ist, will sie in Ruhe Cello spielen. Irgendwie traurig.
    Da es mir zu langweilig wurde, einfach nur Leute anzuglotzen, beschloss ich, den Ist-Nick-ein-Mensch-oder-ein-Roboter-Test noch ein bisschen weiterzutreiben.
    » Ist dir an Nick eigentlich was aufgefallen?«, fragte ich Annie so beiläufig wie möglich.
    » Na klar«, erwiderte sie und kam ein Stück näher, worauf ich ein Stück wegrückte. » Er ist höflicher als du, wahrscheinlich der höflichste Junge, dem ich je begegnet bin.« Sie rückte wieder näher, und ich trat einen Schritt zurück. » Er weiß, wie man Mädchen mit Respekt behandelt. Du könntest dir ein Beispiel an ihm nehmen, Ben!«
    Das ärgerte mich und war nicht die Antwort, die ich erwartet hatte. » Sonst irgendwas, das an Nick anders ist?«, drängte ich. » Denk mal scharf nach!«
    » Oja, sein rechtes Auge wirkt irgendwie… wacklig«, sagte sie, nachdem sie nachgedacht hatte. » Was ist damit?«
    » Nichts Ernstes«, erwiderte ich. » Pa… äh, ein Arzt wird das später richten.«
    Aber bevor ich sie weiter mit Testfragen löchern konnte, rief Annie: » Fang mich!«, und rannte zurück Richtung Parkhaus.
    Ich flitzte hinter Annie her, schnell genug, dass es aussah, als wolle ich sie fangen, aber langsam genug, dass kein Risiko bestand, sie einzuholen. Beim Rennen dachte ich voller Sorge an Nick und hoffte, dass er sich bei dem Aufprall sonst nichts gebrochen hatte und Pa keine Ersatzteile aus Frankreich bestellen musste.
    Und ich dachte an meine Ma und hoffte, dass sie nicht mehr weinte und wegen Nick nicht mehr so aufgewühlt war. Er ist doch nur eine technische Spielerei. Kein Ersatz für Lucien!
    » Wenn du mich fängst, darfst du mich küssen!«, schrie Annie und rannte im Zickzack vor mir her, und es schien ihr egal zu sein, ob jemand diese widerlichen Worte gehört hatte. Annie küssen? Lieber knutsche ich mit diesem Zoogorilla rum. Ich rannte ein bisschen langsamer.

15.
    Das Abendessen war echt doof.
    Ma, Pa und ich saßen am Tisch und aßen ein Gemisch aus Hühnchen, Reis und Brokkoli; das war vor ein paar Minuten, bevor es in die Mikrowelle kam, noch tiefgefroren. Normalerweise kochen wir abends selber oder holen uns was von unterwegs. Aber heute war nichts normal.
    Obwohl Pa uns erklärt hatte, dass Nick durchaus ein bisschen etwas essen könne, saß der Roboter nicht mit uns am Tisch. Als er gegen die Wand krachte, war nicht nur das Auge rausgeflogen, sondern er hatte sich auch noch die Nase verbogen und den Arm ausgerenkt und wartete jetzt drauf, repariert zu werden– in Pas Werkstatt, die ich gern Frankensteins Labor nenne. Dort bastelt Pa an seinen Computern rum.
    Beim Essen wurde fast nicht gesprochen, aber es gab ein paar Versuche.
    » Vielleicht kann ich Nicks Aussehen verändern, damit er nicht mehr so sehr an Lucien erinnert«, bot Pa an, spießte ein Brokkoliröschen auf und betrachtete es wie ein Laborpräparat. » Man könnte seine Haar- und Augenfarbe ändern. Ihm neue Brauen sticken. Die Nase durch Modellierkitt verändern.«
    Ma trennte das Hühnchen vom Reis: Sie mag es nicht, wenn sich Essen auf dem Teller vermischt. » Mach dir keine Mühe. Ich schaff das schon, das Ding ist ja in einem Monat weg.«
    Aus Pas Lächeln wurde ein mutloses Stirnrunzeln. Offenbar hatte er seine Zweifel, dass es ihm gelingen könnte, Ma wegen Nick umzustimmen.
    Ich hockte wie ein Häuflein Elend zusammengesunken auf meinem Stuhl. Eigentlich hätte das ein superglücklicher Tag sein sollen. Der höchstentwickelte Roboter aller Zeiten wohnte bei uns– was hätte uns Aufregenderes

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