Nick Perfect – Bruder per Post
dicken Kuss würde ich dir auch gern geben! Komm raus und lass dich küssen, Nicky!«
Ich: Igitt!
Nick: » Ich werde diese Küsse in naher Zukunft freundlichst entgegennehmen, Miss Annie. Tschüss!«
Die Klingel schrillte. Annie warf mir einen bitterbösen Blick zu. » Nick wohnt erst eine Woche bei dir, und schon hast du ihn um den Verstand gebracht!« Sie stampfte davon.
Aber vermutlich war er nur falsch programmiert.
Als ich nach dem Kunstunterricht noch mal versuchte, Nick aus seinem Schließfach herauszulocken, kam Oscar, der Hausmeister, vorbei, mit einem Besen bewaffnet. » Gibt’s ein Problem?«, fragte er. Es muss wohl etwas komisch ausgesehen haben, wie ich da mit dem Schließfach redete. Vielleicht sogar verrückt.
Also erzählte ich Oscar, mein Bruder stecke im Schließfach fest, und fragte ihn, ob er nicht irgendein Werkzeug habe, mit dem man es aufkriegen könnte. Er rieb sich das Kinn und starrte Nicks Schließfach an, als schätze er die Lage professionell ein.
» Wahrscheinlich könnten wir ihn mit einem Schweißbrenner rausschneiden«, sagte er. Na toll! Klang supergefährlich! » Aber ich hätte vielleicht eine einfachere Lösung. Wie lautet die Kombination?«
Keine Ahnung, deshalb klopfte ich an das Schließfach. » Nick, kannst du uns die Schließfachkombination sagen?«
» Oui. Sechsundzwanzig rechts«, sagte Nick, und Oscar drehte das Rad auf Sechsundzwanzig.
» Acht links«, sagte Nick, und Oscar drehte das Rad zurück auf Acht.
» Zweiundsiebzig nach rechts«, sagte Nick, und der Hausmeister…
» Hey, zweiundsiebzig gibt es doch gar nicht«, protestierte Oscar. » Die Nummer hören bei vierzig auf!«
» Hi-hi-hi-hi-hi-hi«, kicherte Nick.
Oscar schaute finster drein. » Ihr Kids… nichts als Unsinn im Kopf!« Er ging den Besen vor sich herschiebend davon. Verdammt!
Die Klingel schrillte. Als ich zur Bibliothek losflitzte, hörte ich Nick immer noch frei erfundene Schließfachkombinationen herunterrattern. » Achttausendzweihundertsechsundzwanzig links… Hi-hi-hi-hi … Eine Millionneunhundertdreiundvierzig rechts… Hi-hi-hi-hi …
Er war zum Brüllen.
Nach der Förderstunde hatte ich dann keine Lust mehr, es noch mal bei Nick zu versuchen.
Nach Biologie auch nicht.
Aber als die Schule aus war, musste ich Nick irgendwie aus seinem Schließfach holen, sonst bekam ich Riesenärger mit Pa. Schließlich war ich der ältere Bruder. Ich hatte die Verantwortung für diese Roboterratte.
Außerdem gab es sicher irgendein Gesetz, dass man Schüler nicht über Nacht in Schließfächern lassen durfte. Ich war noch zu jung fürs Gefängnis!
» Nick, wir müssen den Bus kriegen und heimfahren«, sagte ich.
Stille.
Ich fügte hinzu: » Daheim wartet deine Kiste auf dich.«
» Mir geht’s gut, Benjamin«, sagte Nick. » Bis morgen! Bonne journée. Ich wünsch dir einen schönen Tag.«
Wow. Nicht mal die Kiste funktionierte.
» Aber das ist doch nicht normal, in einem Schließfach zu sitzen«, stotterte ich.
» Célébrons nos différences!«, sagte er. » Ein Hoch auf die Unterschiede! Eines schickt sich nicht für alle, und was der Gans taugt, taugt dem Gänserich noch lange nicht.«
Okay, aber Nick und ich waren keine Gänse. Jetzt reichte es. Höchste Zeit, den kleinen Scheißkerl aus seinem Schließfach rauszugruseln.
» Na gut, dann bis morgen, Nick«, sagte ich. » Falls dich das Monster nicht frisst.«
Nick biss an. » Das Monster?«
» Klar. Jeden Tag um diese Zeit kommt es aus der Klimaanlage raus und sucht nach Schülern, die noch im Gebäude sind. So ein Monster kriecht locker durch die Lüftungsschlitze eines Schließfachs. Tja, leider gibt’s hier nirgends ein sicheres Versteck.«
Die Schließfachtür flog auf. » Okay, fahren wir nach Hause«, sagte Nick und rannte zum Hauptausgang.
Na, bin ich genial oder bin ich genial?
23.
Als Pa von der Arbeit nach Hause kam, erzählte ich ihm, was in der Schule passiert war und dass Nick den ganzen Tag in seinem Schließfach verbracht hatte. Der Roboter saß währenddessen auf der Couch und unterzog seine Festplattenlaufwerke einem Selbst-Check.
» Das ist ziemlich beunruhigend«, meinte Pa und zog eine Augenbraue hoch. » Neurotische Fähigkeiten habe ich in Nicks Programmierung nicht hineingeschrieben. Wie soll man einer Maschine, die quasi kein Gehirn oder menschliche Gefühle besitzt, eine mentale Verfassung einprogrammieren?«
Das fragte er dem Falschen. » Ich glaube, Nick kann Angst empfinden«, sagte
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