Nick Perfect – Bruder per Post
ich.
» Nicht direkt«, erwiderte Pa gähnend. » Nick verfügt zwar über Sensoren und Feedbackschleifen; sie können bei Gefahr durchaus Schreckreaktionen auslösen, die menschlich wirken können. Im Grunde schützt Nick seine Festplatten und Daten vor Schaden, indem er vor einer Gefahr flieht oder einer Bedrohung ausweicht, aber er tut es nicht aus Furcht. Er ist eben so konzipiert.«
Haha. Nicks Furcht vor Lüftermonstern und Schlägern wirkte ganz schön real. Aber was wusste denn ich? Vor ein paar Jahren hab ich noch an den Weihnachtsmann geglaubt, offen gestanden als einer der Letzten in meiner Klasse. Aber eins ist mir wichtig: Ich habe nie an den Osterhasen geglaubt. Ein Riesenhase, der einmal im Jahr von Haus zu Haus hoppelt, wäre doch einfach nur gruslig.
Pa ging zu Nick und wies ihn an, einen Check aufViren und schädliche Codes durchzuführen. Also sagte Nick wieder » scannen… scannen… scannen…«, und seine Augen blinkten wie Leuchtraketen.
» Ich freue mich, mitteilen zu können, dass alle Codes sich innerhalb der vorgegebenen Parameter befinden.« Er blickte auf und erkannte Pa. » Papa!«, kreischte er, warf sich Pa in die Arme und küsste ihn ab.
» Ja, ich hab dich auch vermisst«, sagte Pa, gab Nick einen flüchtigen Kuss auf die Stirn und setzte ihn wieder auf die Couch, damit er seinen Festplatten-Check zu Ende führen konnte.
» Scannen… Verbleibende Festplattenspeicherkapazität 8141 Terabytes«, sagte Nick und rollte seine Gummizunge. Was für ein Spinner.
•••
Als Ma heimkam und sie uns umarmt und geküsst hatte– mich und Pa, nicht Nick–, sagte Pa zu Ma: » Nehmen wir mal an, zu dir würde ein Klient mit einem ungewöhnlichen Problem kommen: Sein Sohn oder seine Tochter hätten eine Vorliebe für geschlossene Räume, zum Beispiel einen Schrank oder eine… Kiste. Was würdest du diesem Klienten raten?«
Ma runzelte die Stirn. » Geht’s um den Roboter?«
» Es ist eine hypothetische Situation«, meinte Pa. » Ich frage mich, was du zu dieser Person sagen würdest.«
Ma seufzte. » Offenbar findet das Kind eine Geborgenheit in dem engen Raum, die es in der Außenwelt vermisst. Es geht um das Gefühl von Sicherheit. Der Schrank oder die Kiste bietet diesem Jungen oder Mädchen eine symbolische Rückkehr in den Mutterleib, wo noch alles in Ordnung war.«
» Ja, Sicherheit«, sagte Pa und nickte.
» Es geht um ihn, stimmt’s?«, fragte Ma. » Na toll. Ich wollte schon immer mal einen Roboter therapieren.«
» Ja, ich fürchte, unser Nick hat eine neurotische Bindung an seine Transportkiste entwickelt«, sagte mein Pa, » und außerdem an sein Schulschließfach. Es ist bizarr, aus der Perspektive der Eltern. Aber aus wissenschaftlicher Perspektive ist es faszinierend.«
» Falscher Code?«, schlug Ma vor. » Ein loses Kabel?«
Pa schüttelte den Kopf. » Wie du schon sagtest, wenn es mit dem Bedürfnis nach Sicherheit zusammenhängt, frage ich mich, was wir dafür tun könnten, dass Nick sich sicherer fühlt. Irgendeine Idee?«
» Erspar mir das, Matthew«, sagte Ma und funkelte Pa wütend an. » Ich hab dieses Ding nicht in unsere Familie gebracht.«
Fast hätte ich gesagt, das Ding hat einen Namen, aber ich hab schon vor langer Zeit gelernt, den Mund zu halten, wenn Ma und Pa diskutieren. Inzwischen hatte Nick seinen Selbst-Check auf der Couch abgeschlossen.
» Das hat nichts mit dir zu tun«, sagte Pa zu Ma. » Mich interessiert nur, welchen Rat du den Eltern geben würdest, deren Kind eine Vorliebe für geschlossene enge Räume hat.«
Ma brauchte ein paar Sekunden für ihre Antwort, und ich dachte schon, das sei vielleicht der Anfang einer langen Auseinandersetzung. Meine Eltern streiten nicht sehr oft, aber wenn, dann zieht es sich meist eine ganze Weile hin. Das ist ein Nachteil, wenn man superkluge Eltern hat. Die können tausend schlaue Dinge zueinander sagen, und manche davon sind richtig gemein.
» Offenbar«, sagte Ma, » muss der Schrank oder die Kiste durch ein passenderes Objekt ersetzt werden, etwa ein Spielzeug oder ein Stofftier. Aber die ultimative Lösung besteht darin, dass das Kind, oder Ding, sich in der Welt sicherer fühlt.«
» In der Tat«, meinte Pa und rieb sich das Kinn.
» Jetzt reicht’s aber mit diesen Albernheiten. Ich hab Wichtigeres zu tun. Abendessen heute ohne mich«, sagte Ma und zog sich mit ihrer Aktentasche ins Büro zurück.
Pa ging in die Küche, um uns eine Kleinigkeit zum Essen zu machen. Ich guckte zu Nick
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