Nick Perfect – Bruder per Post
hinüber, der dasaß wie ein trauriger kleiner Roboter.
» Maman ist immer noch nicht mit mir einverstanden«, sagte er und senkte den Kopf.
» Es ist ja erst eine Woche«, tröstete ich ihn. » Sie wird sich schon noch einkriegen.« Aber ich war mir nicht sicher, ob das stimmte. Obwohl Nick schon eine Woche bei uns war, brachte Ma es immer noch kaum über sich, ihn anzuschauen. Warum sollte sich daran nächste oder übernächste Woche etwas ändern? Und dann musste der Ärmste ja schon wieder nach Frankreich zurück.
In der Küche überflog Pa den Inhalt des Kühlschranks, schloss dann die Tür und sagte: » Was meinst du, soll ich was beim Thai bestellen?«
Ich antwortete träge » okay«– aber unter uns, ich hatte das Zeug satt. Wir bestellten mindestens zweimal wöchentlich thailändisches Essen: Wenn Ma zu viel Arbeit hat, um mit uns zu essen, wenn Pa lange arbeitet oder wenn keiner von beiden Lust zum Kochen hat. Unmengen von Thai-Essen! Ein Kind verträgt nur eine begrenzte Menge klebrigen Bananenreis… Doch da meine Eltern es gern essen, hab ich beschlossen zu schweigen und grummle nur manchmal ein bisschen vor mich hin. Grummel, grummel, grummel.
24.
Nach dem Essen standen Pa, Nick und ich in meinem Zimmer vor meiner alten Spielzeugkiste voller Actionfiguren, Sportartikel und Spielsachen, mit denen ich kaum noch spielte.
» Okay, Nick«, sagte Pa, » ich möchte, dass du dir ein Sicherheitsobjekt aussuchst, das deine Transportkiste und dein Schließfach ersetzen kann. Wenn du dich ein bisschen unsicher fühlst, kannst du dich immer an diesem Gegenstand festhalten und dabei sichere, glückliche Gedanken haben.«
Nick starrte die Kiste voller Plunder an, schaltete plötzlich in einen Hyper-Robot-Modus, packte die Actionfiguren, Bälle und Spielsachen und schleuderte sie wild durchs Zimmer.
Als die Kiste leer war, stieg Nick hinein, machte es sich darin bequem und strahlte uns an. » Was für eine wunderbare Kiste«, sagte er. » Merci, Ben und Papa.«
Dann klappte mein Roboterbruder den Deckel zu.
Pa kratzte sich am Kinn. » Von solchen Dingen steht einfach nichts in den Computerhandbüchern«, sagte er schließlich.
» Da sagst du was«, stimmte ich zu.
25.
Bald war für Nick und mich Schlafenszeit. Ich lag auf meinem Bett. Nick hatte es sich in seiner Transportkiste zwischen Styroporchips und Holzwolle gemütlich gemacht. Der Junge hatte echt eine Schwäche für Kisten. Ich war mir nicht sicher, ob man ihn je davon würde heilen können.
Wir redeten ein paar Minuten lang über die grässliche Annie Banani.
» Pardonne-moi«, sagte der Roboter, » Aber ich verstehe deine Bedenken nicht. Miss Annie ist ein freundliches, lebhaftes Kind. Außerdem lehnt sie mich nicht ab, was mir sehr angenehm ist.«
» Aber sie ein Mädchen!«, wandte ich ein. » Und noch dazu die schlimmste Art von Mädchen: immer dieses Abgeknutsche, und nie lässt sie einen in Ruhe. Glaub mir, Bruderherz, mit Annie Banani willst du echt nichts zu tun haben. Aber Dennis ist einTyp und ziemlich nett. Wenn du einen Freund suchst, versuch’s mal mit ihm. Manchmal müffelt er ein bisschen, wenn er sichein paar Tage nicht geduscht hat, aber man gewöhnt sich dran.«
» Daten werden verarbeitet… Daten werden verarbeitet. Bei allem gebührenden Respekt verstehe ich nicht, warum die Geschlechtszugehörigkeit ein Faktor bei der Wahl von Freunden sein sollte. Sollten eine stimmige Persönlichkeit und intellektuelle Vitalität nicht wesentlich größere Bedeutung haben?«
Auch wenn er ein wandelndes Lexikon war, hatte der Roboter noch viel zu lernen. Zeit für ein bisschen Erziehung.
» Jetzt pass mal gut auf, Nick, okay?«, sagte ich. » Das ist so, als … das ist so, als wären wir Jungen Erdlinge und die Mädchen Marsmenschen. Annie ist der größte Marsmensch von allen, quasi ihre Königin. Und Marsmenschen passen einfach nicht zu den Erdlingen. Erstens haben sie grüne Haut und Antennen und reden nur Quatsch. Vielleicht haben wir eines Tages andere Gefühle für Mädchen, aber im Moment, wenn du dir Annie und alle anderen Mädchen einfach als Marsmenschen vorstellst, mit Antennen, die aus dem Kopf rauswachsen, dann ist alles okay.«
» Danke für deinen Rat, Ben«, sagte Nick. » Ich werde an deine Worte denken und entsprechende Änderungen in meinem Verhalten vornehmen. Aber was ist mit ihren Küssen?«
» Du magst Annies Küsse?«
» Oui. Aus Gründen, die ich nicht erklären kann, bewirken sie einen kleinen
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