Nick Perfect – Bruder per Post
auch mit Lucien umgehen, wenn er hier wäre?«
» Ja, genau so ist es«, sagte ich und hatte wegen Lucien und Nick plötzlich so ein komisches Gefühl im Bauch.
» Daten werden verarbeitet… Daten werden verarbeitet…«, sagte Nick. » Ich glaube, ich verstehe. Jemandes Bruder zu sein, hat nicht nur mit gleichen Erbanlagen oder dem gleichen Bauplan zu tun, sondern damit, dass man wie Brüder miteinander umgeht und sich umeinander sorgt, wie Brüder das tun. Korrekt?«
» Ja«, sagte ich, und das komische Gefühl im Bauch wurde immer komischer.
Der Roboter krabbelte aus seiner Kiste, beugte sich herüber und gab mir einen Kuss auf die Wange. » Gute Nacht, Bruder«, sagte er.
» Gute Nacht, Bruder«, erwiderte ich und hatte das Gefühl, ich würde mich gleich total wie ein Mädchen benehmen, zum Beispiel zu flennen anfangen. So gut war ich als Bruder dann auch wieder nicht.
Nick legte sich wieder in seine Kiste. Und mir kam noch ein toller Gedanke.
» Das ist ein weiterer Beweis, dass du mein Bruder bist!«, rief ich triumphierend. » Computer geben ihren Brüdern keinen Gutenachtkuss. Aber Brüder schon.« Endlich war mir mal was schneller eingefallen als Nick. Super!
» Oui!«, sagte der Roboter. » Und nun zum zweiten Teil meiner Frage. Warum bin ich eigentlich hier?«
Grrrr!!!!
38.
Am nächsten Morgen brachte Pa mich in die Schule, bevor er zur Arbeit fuhr; er hatte beschlossen, Nick zu Hause zu lassen, weil er noch Zeit für verschiedene Tests und Anpassungen brauchte. Irgendwie komisch. Ich war bisher immer im Bus gefahren. Und plötzlich war ich eins dieser Kids, die von den Eltern zur Schule gebracht werden. Es würde wohl eine Weile dauern, bis ich mich dran gewöhnt hatte.
Als ich mir ein paar Bücher aus meinem Schließfach holte, kam Annie auf mich zugerannt. » Hi, Ben! Wo ist Nick, und warum wart ihr nicht im Bus?«
Also erklärte ich ihr– etwa so lebhaft wie eine müde Schildkröte–, dass Nick erst nächste Woche wieder zur Schule kommen werde und dass wir beide von nun an gebracht würden.
» In eurem Wagen hätte ich doch noch locker Platz, Ben«, meinte sie lächelnd und klimperte mit den Wimpern. » Sprich mal mit deinem Pa! Ich könnte zwischen dir und Nick sitzen. Wär das nicht toll?«
Na klar. So toll wie grässliche Alpträume.
Annies Nase zuckte. » Übrigens hab ich rausgefunden, was dein großes Geheimnis ist«, verkündete sie.
Ich wollte aber gar nicht wissen, was Annie wusste; darum machte ich mein Schließfach zu, sagte ihr, ich käme zu spät zum Unterricht, und rannte den Flur entlang. Sie natürlich hinterher.
» Nick hat doch neulich gesagt, der Wurm, den er sich eingefangen hat, heißt Doomsday Sandwich Worm– ich hab das mal im Internet gecheckt«, sagte sie. » Das ist ein Computerwurm! Nick ist ein Computer. Vielmehr ein computerisierter Roboter! Ha! Ich hab’s rausgekriegt!«
Hundekacke mit Pommes und Kohlsalat!
Aber ich setzte ein Pokergesicht auf. » Du bist ja verrückt«, sagte ich zu ihr und zermarterte mir den Kopf nach irgendeiner schlauen Antwort. » Äh… so weit ist die Robotik ja noch gar nicht. Die einzigen Roboter, die wir kennen, sind diese Maschinen, die Staub saugen oder Rasen mähen können. Wahrscheinlich dauert es noch hundert Jahre, bis wir Roboter haben, die wie Menschen aussehen und handeln.« Nicht übel für halb neun Uhr morgens.
» Lügner!«, zischte Annie und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. » Dass Nick ein Roboter ist, ergibt absolut Sinn. Er macht Sportübungen, die kein anderer schafft, er ist klüger als wir alle, und er kann zig Sprachen. Ein Roboter! Und ich werde es allen erzählen.« Sie hielt inne, weil ihr offenbar eine bessere Idee gekommen war. » Es sei denn, du tust etwas für mich. «
O nein. Das sah schlecht aus. Und wenn sie jetzt wollte, dass ich sie küsste? Oder was genauso Abgefahrenes wie zum Beispiel Händchenhalten? Ohne mich! Allerdings wurde mir schnell klar, dass ich mit meiner üblichen Strategie hier nicht weiterkam. Wenn ich Annie einfach ignorierte, würde sie überall herumerzählen, dass Nick ein Roboter war. Sie kennt keine Skrupel!
» Was willst du haben, damit du nichts sagst?«, fragte ich sie, als wir in den nächsten Flur bogen.
» Nick ist wirklich ein Roboter! Es stimmt also!!«, kreischte sie.
Ich dachte schnell nach. » Ich sage nicht, dass er einer ist, aber es wäre schlecht für Nick, wenn ihn alle dafür halten würden. Was willst du dafür haben, dass du den
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