Nick Perfect – Bruder per Post
okay.
Ich schlüpfte an meinem Pa vorbei zu Nick– er quasselte mit Jean-Pierre jr. über das kürzlich vorgenommene Upgrade eines Sprachmoduls. Auf dem Bildschirm hinter Jean-Pierre jr. sah ich meinen Onkel in einem Computerhandbuch lesen, so wie meine Ma Kriminalromane liest; es sah aus, könne er es kaum erwarten, die Seite umzublättern.
Natürlich unterhielten sich Nick und Jean-Pierre jr. aufFranzösisch. Ich kriegte mindestens achtundsiebzig Prozent nicht mit.
Mir war irgendwie langweilig, und ich überlegte, was ich sonst noch machen konnte. Aber auf einmal war es mit der Langeweile blitzschnell vorbei.
Während ich auf den Monitor starrte, sah ich plötzlich zwei Männer in den Computerraum meines Onkels stürmen, sie trugen schwarze Sweatshirts, Jeans und Sonnenbrillen.
» Pa, Pa, schnell, schau!«, schrie ich. Er ließ seinen Füller fallen und stürzte zum Computer. Schockiert sahen wir zu, wie einer der Männer meinem Onkel den Mund zuhielt und ihn vom Computer wegzerrte. Und die Hand des Zweiten kam direkt auf uns zu. Der Bildschirm wurde schwarz. Er verdeckte die Kamera!
» Jean-Pierre jr.! Jean-Pierre jr.!«, rief Nick verzweifelt. » Parle à moi, mon cousin! Melde dich!«
Aber auf dem Monitor erschien nur eine Fehlermeldung, die besagte, dass die Verbindung unterbrochen war.
» Pa! Mach doch was!«, flehte ich in Panik. Aber Pa saß schon neben Nick am Computer. Nick wirkte sprachlos, als könne er das, was er gesehen hatte, nicht verarbeiten. Pa tippte rasch etwas ein, erhielt aber nur eine weitere Fehlermeldung, die Zieladresse sei offline und nicht erreichbar.
Zum Glück kennt mein Pa einen Trick, um fast alle Fehlermeldungen zu umgehen. Er tippte wie ein Irrer und war bald wieder mit Onkel Jean-Pierres Computerkamera verbunden. Aber man sah nur den leeren Raum.
» Mon Dieu«, sagte Nick. » Was ist mit meinem Onkel und meinem Cousin passiert? Wer sind diese schrecklichen Männer?«
Pa sprang auf. » Okay, keine Panik, aber wir müssen sofort hier weg.« Er nahm uns beide am Arm und schob uns zur Tür. » Wer immer diese Leute sein mögen, ihre Helfer könnten schon auf dem Weg zu uns sein. Wir holen eure Mutter und gehen.«
Mein Herz klopfte so laut, dass es in meinen Ohren dröhnte. Ich nahm Nick bei der Hand. Aber dann blieb Pa stehen und zückte sein Handy.
» Hallo?«, sagte er, nachdem er gewählt hatte. » Sie müssen mich sofort mit Interpol verbinden, ein Notfall… Sie müssen… Hallo? Hallo?« (Falls ihr es nicht wisst, Interpol ist die Abkürzung für Internationale kriminalpolizeiliche Organisation). Er sah aufs Display, dann zeigte er es Nick und mir. Eine Kette stirnrunzelnder Gesichter glitt darüber hinweg. » Jemand blockiert das Signal«, sagte Pa und starrte verdattert auf das Display. » Das ist… technisch sehr ausgeklügelt. Nicht mal ich weiß, wie man das macht.«
Er bat mich um mein Handy, aber es bot sich das gleiche Bild, stirnrunzelnde Gesichter, aber kein Funksignal. » Mein Gott, wozu sind diese Leute fähig?« Ich hörte die Angst in seiner Stimme.
Pa wollte gerade die Tür zu unserer Wohnung öffnen, als Ma aufmachte. » Da seid ihr ja«, sagte sie lächelnd, aber dann wurde ihr Gesicht ernst. » Was ist denn los? Ihr seht ja aus, als wärt ihr einem Geist begegnet…«
» Wir müssen weg, sofort!«, sagte Pa und packte Mas Arm. » Jean-Pierre und Jean-Pierre jr. ist etwas Schreckliches zugestoßen! Und auch wir sind vielleicht in akuter Gefahr. Die stören den Funkempfang unserer Handys!«
Ma klappte der Unterkiefer runter. » Was ist denn passiert?«, fragte sie. » Und wer genau sind di e ?«
» Wir glauben, dass sie gekidnappt wurden!«, sagte ich. » Wir haben es durch die Webcam gesehen. Jean-Pierre und Jean-Pierre jr. wurden einfach…«
» Wir müssen los, mein Schatz. Jetzt!«, unterbrach mich Pa. » Es ist möglich, dass ihre Helfer– ich wette, das sind diese beiden Männer, über die wir geredet haben– hinter uns her sind.«
» Gekidnappt? Gestörter Funkempfang?« Meine Mutter starrte meinen Vater fassungslos an.
» Wir müssen los!« sagte Pa. Er klopfte auf seine Gesäßtasche, um sicherzugehen, dass er seine Brieftasche dabeihatte, dann zog er Ma am Arm, als wolle er ihr Starthilfe geben. » Es kann um Leben und Tod gehen!«
Mannomann!
Ma nickte, und wir zogen die Tür zu, ohne erst abzuschließen.
Pa betätigte wie wild den Aufzugknopf. Schon wenige Sekunden später gingen die Türen auf. Leer. Wir drängten rein,
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