Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
meinen Freund finden, weiß aber nicht genau, wo er wohnt. Ich überlege gerade, wie ich’s anstellen soll, ihn zu finden.«
»Den Computerfreak, von dem du mir erzählt hast?«
Ich nickte.
»Warum versuchst du’s nicht im Netz?« fragte sie ganz nonchalant. Sie sah mich dabei nicht mal an, sondern hatte nur Augen für den Scheiß auf dem Bildschirm. Natürlich! Der Kerl ist ein Computerfreak; selbstverständlich hat er einen Internetanschluß und surft wahrscheinlich auf den Pornoseiten, um Aktphotos von Teenagern zu finden. Das war bestimmt ein guter Ausgangspunkt. Jedenfalls viel besser als meine Idee mit dem Privatdetektiv.
Ich ging zu meiner Reisetasche hinüber. »Du kennst dich im Netz aus, nicht wahr?«
»Natürlich. Das üben wir vor der Schule.«
»Vor der Schule?«
»Vor Schulbeginn, wenn wir schon in der Schule sind, damit unsere Eltern in die Arbeit fahren können. Und wir sind jeden Morgen im Netz unterwegs; wir bekommen genau gezeigt, wie man das macht.«
Das Mädchen war ein Genie! Ich war eben dabei, meinen Laptop herauszuholen, als die Ernüchterung einsetzte. Auch wenn das Gerät über ein eingebautes Modem und die benötigte Internet-Software verfügte, würde es mir nichts nutzen. Ich hatte keine Kreditkarten, um mich im Netz anmelden zu können, und konnte keine gestohlenen verwenden, weil ich eine Rechnungsanschrift angeben mußte. Ich legte den Laptop aufs Bett.
»Gute Idee«, sagte ich, »aber mit diesem Gerät geht’s leider nicht.«
Kelly starrte weiter auf den Bildschirm. Sie trank jetzt ein lauwarmes Milk Maid aus der Reisetasche, das sie mit beiden Händen ansetzte, um nicht nach unten sehen zu müssen und dabei womöglich etwas zu verpassen. »Wir gehen einfach in ein Cyber-Cafe«, schlug sie vor. »Als bei Melissa wochenlang das Telefon nicht funktioniert hat, ist ihre Mommy immer ins Cyber-Cafe gegangen, um ihre E-Mails abzuholen.«
»Ach, tatsächlich?«
Das Cybercino war ein Coffee Shop, in dem es nicht nur Donuts, Croissants und Sandwiches, sondern auch durch halbhohe Trennwände unterteilte PC-Arbeitsplätze gab. Auf jedem stand ein PC mit einer kleinen Mulde für
Speisen und Getränke. An den Trennwänden hingen Anschläge über Benutzungsdauer und Minutenpreise, Gebrauchsanweisungen fürs Internet und zahlreiche Geschäftskarten, die zum Besuch verschiedener Homepages aufforderten.
Ich brachte Kaffee, dänische Pasteten und Cola mit und versuchte mich einzuloggen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen überließ ich die Tastatur schließlich einer geübteren Nutzerin. Kelly fand sich im Cyberspace so mühelos zurecht wie in ihrem eigenen Hinterhof.
»Ist er bei AOL, MSN, CompuServe oder wo?« fragte sie.
Ich hatte keine Ahnung.
Sie zuckte mit den Schultern. »Macht nichts, wir benutzen eine Suchmaschine.«
Keine Minute später waren wir bereits bei InfoSpace angemeldet. Als Kelly das E-Mail-Icon anklickte, erschien eine Dialogbox.
»Nachname?«
Ich buchstabierte ihr De Niro.
»Vorname?«
»Al.«
»Stadt?«
»Die lassen wir lieber aus. Schreib einfach Florida. Unter Umständen ist er umgezogen.«
Sie klickte Suche an, und im nächsten Augenblick erschien die E-Mail-Adresse auf dem Bildschirm. Ich wollte meinen Augen nicht trauen. Es gab sogar ein Icon Mail schicken, das Kelly jetzt anklickte.
Ich schickte ihm eine Nachricht, die besagte, daß ich Verbindung zu Al De Niro suchte - oder zu jemandem, der ein Fan von Pacino und De Niro war und »Nicky Two« aus England kannte. Das war der Spitzname, den Sabatino mir gegeben hatte. In unserem Team hatte es insgesamt drei Nicks gegeben, und mich hatte er als zweiten kennengelernt. Bei jeder Begegnung hatte er den Paten gespielt, indem er die Arme ausgebreitet und »Heyyy, Nicky Two!« gesagt hatte, um mich dann zu umarmen und abzuküssen. Zum Glück hatte er das auch mit den beiden anderen gemacht.
Das Café hatte morgens ab zehn Uhr geöffnet. Mit der Nutzergebühr war auch die Verwendung der Cybercino- Adresse abgegolten, deshalb fügte ich ergänzend hinzu, ich würde mich morgen um 10 Uhr 15 einloggen, um etwaige Nachrichten zu empfangen. Das Risiko, daß seine E-Mail von jemandem mitgelesen wurde, war gering, und daß jemand mich als »Nicky Two« identifizieren würde, war noch unwahrscheinlicher.
Inzwischen war ich allmählich hungrig, und auch Kelly hatte Appetit auf etwas Handfesteres als Kleingebäck. Wir gingen in Richtung Atlantic Avenue zurück und kehrten in unserem Lieblingsrestaurant ein.
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