Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
als Geldbeschaffer und Spendensammler für die PIRA fungierten. Die beiden verstanden ihre Sache so ausgezeichnet, daß sie einmal sogar Mittel aus dem staatlichen Förderprogramm für den Wiederaufbau nordirischer Städte ergaunert hatten.
Zweifellos hatten sich die Finanzierungsmethoden der PIRA seit der guten alten Zeit mit scheppernden Sammelbüchsen in Belfast, Kilburn und Boston entscheidend verändert. Sogar so sehr, daß zu ihrer Bekämpfung schon 1988 im britischen North Ireland Office eine Arbeitsgruppe Terroristenfinanzierung gebildet worden war, der Wirtschaftsprüfer, Juristen, Steuerfachleute und Computerexperten angehörten. Euan und ich hatten viel mit ihr zusammengearbeitet.
Danach holte Big Al mehrere Photos auf den Bildschirm, auf denen Macauley und Fernahan zwei andere Männer mit Handschlag begrüßten, bevor sie mit ihnen die Treppe hinuntergingen und in einen Mercedes stiegen. Einer der beiden war der verstorbene Mr. Morgan McGear in einem eleganten Anzug, den ich wiederzuerkennen glaubte. Ich sah rasch zu Kelly hinüber, aber sein Gesicht sagte ihr offenbar nichts. Wer der vierte Mann war, wußte ich nicht. Im Augenblick spielte das jedoch keine allzu große Rolle.
Die Aufnahmen waren heimlich gemacht worden. Dunkle Bildränder zeigten, daß ein Teleobjektiv mit nicht ganz korrekter Blende benützt worden war. Aber an den Autos war zu erkennen, daß die vier sich irgendwo in Europa befanden.
»Bitte weiter«, sagte ich knapp.
Sabatino wußte, daß ich etwas oder jemanden erkannt hatte; er starrte mich verlangend an und lechzte danach, eingeweiht zu werden. Er war fünf Jahre lang nicht mehr im Geschäft gewesen, aber dies war seine Chance für ein Comeback.
Ich hatte natürlich nicht vor, ihm irgend etwas zu verraten. »Bitte weiter«, wiederholte ich.
Mit der nächsten Photoserie, die er auf den Bildschirm holte, konnte ich überhaupt nichts anfangen.
Big Al betrachtete die Aufnahmen ebenfalls. Auf seinem Gesicht war ein breites Grinsen zu sehen. »Jetzt weiß ich, wofür die Lieferscheine und Rechnungen sind.«
»Wofür denn?«
»Está es la coca, señor! Hey, diesen Kerl kenne ich.
Der arbeitet fürs Drogenkartell.«
Auf dem Bildschirm sah ich einen wirklich sehr eleganten Lateinamerikaner, Anfang Vierzig, aus einer Limousine steigen. Der Hintergrund zeigte, daß er sich in den USA befand. »Das ist Raoul Martinez«, erklärte Big Al. »Er ist Mitglied der kolumbianischen Handelsdelegation.«
Die Sache wurde mit jeder Minute interessanter. Auch wenn die PIRA stets bestritten hatte, in den Drogenhandel verwickelt zu sein, waren die dadurch erzielbaren Gewinne so hoch, daß sie sie unmöglich ignorieren konnte. Was ich auf diesem Bildschirm sah, waren praktisch vor Gericht verwertbare Beweise für ihre direkte Zusammenarbeit mit dem Drogenkartell. Aber damit war mein Problem noch immer nicht gelöst.
Big Al blätterte weiter in den Bildern. »Gleich sehen wir Raoul mit jemandem, den ich kenne, dafür garantiere ich.« Er suchte weiter. »Ah, da haben wir schon einen - den großen bösen Sal.«
Dieser andere Kerl war etwa gleich alt, aber viel größer; er war früher vermutlich Gewichtheber gewesen und hatte sich dann mindestens hundertzwanzig Kilo angefressen. Sal war ein Hüne, dessen Kopf kahl wie eine Billardkugel war.
»Er begleitet Martinez überallhin«, erklärte Sabatino. »Früher haben wir jede Menge Geschäfte mit ihm gemacht. Ein netter Mann, ein guter Familienvater. Wir haben Kokain entlang der gesamten Ostküste bis hinauf zur kanadischen Grenze vertrieben. Dazu haben wir Leute gebraucht, die alle Hindernisse aus dem Weg
geräumt haben; das haben die beiden getan, und alle haben gut dabei verdient. Yeah, diese Jungs sind in Ordnung gewesen.«
Auf weiteren Photos dieser Datei sahen wir die beiden mit einem dritten Mann, einem Weißen, in einem Restaurant sitzen und essen.
»Keine Ahnung, wer das ist«, sagte Big Al.
Ich blickte über seine Schulter und war nur auf den Bildschirm konzentriert.
Kelly stieß mich an. »Nick?«
»Gleich.« Ich sah wieder Big Al an. »Absolut keine Idee?«
»Nicht die geringste.«
»Nick?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt, Kelly.«
Aber sie ließ nicht locker. »Nick, Nick!«
»Geh noch mal ...«
»Nick, Nick! Ich weiß, wer dieser Mann ist.«
Ich starrte sie an. »Welcher Mann?«
»Der Mann auf dem Photo.« Sie grinste triumphierend. »Ihr habt gesagt, daß ihr ihn nicht kennt, aber ich weiß, wer er
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