Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
wir könnten die Kabine gefahrlos verlassen. Ich wandte mich an Kelly. »Du heißt jetzt Louise, okay? Louise Sandborn.«
»Okay.«
Sie nahm das gleichmütig hin.
»Louise, wenn wir jetzt gehen, möchte ich, daß du richtig fröhlich aussiehst und an meiner Hand gehst.« Ich griff nach der Reisetasche. »Okay, wir sind unterwegs!«
»Nach England?«
»Natürlich! Aber zuerst müssen wir uns Plätze im nächsten Flugzeug besorgen. Du bist übrigens großartig gewesen - sehr gut gemacht!«
Einige Minuten nach 11 Uhr 30 waren wir wieder im Abflugbereich. Bis zum ersten möglichen Abflug mit BA-216 um 17 Uhr 10 nach Heathrow mußten wir uns noch über fünf Stunden hier herumtreiben.
Ich ging ans nächste Telefon, benutzte die Rufnummern aus dem Flughafenmagazin und rief nacheinander die in Frage kommenden Fluggesellschaften an, um nach freien Plätzen zu fragen. Der erste Flug mit British Airways war schon ausgebucht. Ebenso United Airways um 18 Uhr 10, BA um 18 Uhr 10 und United um 18 Uhr 40. Zuletzt gelang es mir, bei Virgin Atlantic zwei Plätze für den Flug um 18 Uhr 45 zu ergattern. Ich gab sämtliche Daten von Mr. Sandborn an, der die Tickets später abholen würde. Auch diesmal bezahlte ich wieder mit Angaben zur Kreditkarte auf dem Durchschlag von Frankie Sabatinos Mietwagen.
Ich schlenderte am Virgin-Schalter vorbei und stellte fest, daß er erst ab 13 Uhr 30 geöffnet war. Also eineinhalb Stunden lang warten und schwitzen.
Terry Sandborn sah älter aus als ich, und sein fast schulterlanges Haar fing schon an, grau zu werden. Mein Haar bedeckte kaum die Ohren und war braun. Zum Glück war sein Paß schon vier Jahre alt.
Zur Begeisterung Kellys und des Herrenfriseurs im Terminal verlangte ich den Bürstenschnitt Nummer eins und sah nun wie ein amerikanischer Marineinfanterist aus.
Dann gingen wir in den Reiseladen, wo ich ein Schmerzmittel kaufte, das Menstruationsbeschwerden bei Frauen zu lindern versprach. Ein Blick auf die auf der Packung angegebene Zusammensetzung genügte, um mir zu zeigen, daß ich offenbar das richtige Mittel erwischt hatte.
Die ganze Zeit über hoffte ich, die Polizei habe den Handtaschenraub als Gelddiebstahl eingestuft und den Fall nicht weiterverfolgt, sondern es dem Ehepaar Sandborn überlassen, den Verlust seiner Kreditkarten und Reisepässe zu melden. Ich wollte nicht am Virgin- Schalter aufkreuzen und von einem halben Dutzend Cops in Empfang genommen werden.
Noch eine halbe Stunde, bis wir zum Einchecken gehen konnten. Aber vorher hatte ich noch etwas zu erledigen.
»Kelly, wir müssen noch mal auf die Toilette.«
»Ich muß aber nicht.«
»Ich will mich dort verkleiden. Komm, ich zeig’s dir.«
Wir verschwanden in einer der Behindertentoiletten im
Abflugbereich, und ich schloß die Tür hinter uns. Als erstes holte ich Mrs. Sandborns Lesebrille heraus. Ihr dünner Goldrahmen enthielt Gläser von der Dicke des Bodens einer Colaflasche. Ich probierte sie auf. Die Brillenfassung war etwas klein, aber sie sah dennoch passabel aus. Ich drehte mich schielend nach Kelly um. Anschließend hatte ich Mühe, ihren Lachanfall zu beenden.
Dann riß ich die Packung Schmerztabletten auf. »Ich nehme jetzt ein paar dieser Tabletten ein, von denen mir schlecht wird. Aber das hat seinen Grund, okay?«
Sie wußte nicht recht, was sie davon halten sollte. »Oh, okay, wenn du meinst ...«
Ich schluckte sechs Kapseln und wartete. Erst kamen Hitzewallungen, dann brach mir der kalte Schweiß aus. Ich hob eine Hand, um zu signalisieren, daß alles in Ordnung war, während ich mich in die Kloschüssel übergeben mußte.
Kelly verfolgte erstaunt, wie ich mir im Waschbecken kaltes Wasser übers Gesicht laufen ließ. Ich begutachtete mich im Spiegel. Wie ich gehofft hatte, sah ich so blaß und krank aus, wie ich mich fühlte. Vorsichtshalber schluckte ich noch zwei Kapseln.
Vor der langen Reihe von Abfertigungsschaltern warteten nur wenige Fluggäste, und bei Virgin Atlantic war lediglich ein Schalter besetzt. Die Hosteß schrieb irgend etwas und hielt den Kopf gesenkt, als wir herankamen. Sie war eine schwarze Schönheit, Mitte Zwanzig, die ihre üppige Mähne zu einem Nackenknoten gebändigt trug.
»Hallo, mein Name ist Sandborn.« Das Kodein machte meine Stimme rauher und tiefer. »Bei Ihnen müßten zwei Tickets für mich liegen.« Ich bemühte mich, zerstreut und schusselig zu wirken. »Mein Schwager hat sie doch hoffentlich für mich gebucht?« Ich warf einen hoffnungsvollen
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