Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
Neugier.«
Ich sprach weiter und schilderte ihm, was ich in Kevs Haus gefunden hatte. Euan hörte schweigend zu. Er saß einfach nur da und nahm alles in sich auf. Ich fühlte mich plötzlich erschöpft, als habe meine symbolische Stabübergabe an Euan bewirkt, daß alles, was in den letzten zehn Tagen passiert war, mich endlich einholen
und seinen Tribut fordern konnte.
Ich musterte Euan prüfend. Auch er wirkte ziemlich mitgenommen.
»Was du sagst, klingt alles ganz logisch - bis auf einen Punkt.«
»Welchen?«
»Hätten die Kolumbianer nicht voraussehen müssen, daß ein Bombenanschlag in Gibraltar verschärfte Sicherheitsmaßnahmen auslösen und den Drogenschmuggel erschweren würde?«
»Dieser Anschlag ist eine letzte Warnung an alle gewesen, die damals aus dem Drogengeschäft aussteigen wollten. Glaub mir, Kumpel, der Fall ist mehrere Nummern zu groß für mich. Ich will ihn bloß Simmonds übergeben und bin heilfroh, wenn ich nichts mehr damit zu tun habe.«
»Ich helfe dir, wo ich kann.« Euan riß eine Packung Benson & Hedges auf; er rauchte offenbar wieder. Ich stand auf, um nicht eingequalmt zu werden.
»Ich will nicht, daß du direkt beteiligt bist. Kev und Pat sind tot, mich hat’s beinahe erwischt - dich brauche ich als Rückendeckung für den Fall, daß irgendwas schiefgeht.«
»Was soll ich also tun?«
Ich roch den Schwefelgestank seines Zündholzes. Er grinste, als ich ärgerlich den Rauch von meinem Gesicht wegwedelte. Er wußte, daß ich es haßte, eingequalmt zu werden. Manche Reaktionen bleiben selbst unter extremem Druck gleich.
»Morgen nachmittag müßtest du mit FedEx Kopien der Disketten bekommen«, sagte ich. »Falls mir oder Simmonds etwas zustößt, mußt du allein weitermachen.« Inzwischen war bereits das ganze Bad eingenebelt. Jeden Augenblick konnte der Brandmelder losschrillen.
»Kein Problem, Kumpel«, sagte er in seiner sehr langsamen, sehr gelassenen, sehr überlegten Art. Hätte jemand Euan mitgeteilt, der Haupttreffer in der National Lottery sei auf ihn gefallen, hätte er »Das ist nett« gesagt und dann weiter sein Kleingeld aufgestapelt oder seine Socken zusammengelegt.
»Wie viele Diskettenkopien gibt’s außer denen, die du mir geschickt hast?«
»Das sage ich dir lieber nicht, Kumpel. Jeder erfährt nur, was er wissen muß!«
Er nickte grinsend. Er wußte, daß ich ihn damit schützte.
»Noch etwas«, fuhr ich fort. »Ich will Kelly nicht zu dem Treffen mit Simmonds mitnehmen. Bei unserem letzten Gespräch hat er mich verdammt unfreundlich abgefertigt. Falls wir uns in die Haare geraten, möchte ich nicht, daß Kelly ins Kreuzfeuer gerät. Du bist der einzige Mensch, dem ich sie anvertrauen kann. Nur für eine Nacht, vielleicht für zwei. Kannst du mir diesen Gefallen tun?«
Euan antwortete so prompt, wie ich erwartet hatte. »Kein Problem.« Auf seinem Gesicht erschien ein Lächeln. Er wußte jetzt, daß ich ihn vorhin ungezwungen mit Kelly hatte schwatzen lassen, damit sie sich kennenlernten.
»Nimmst du sie mit nach Breconshire?« »Klar. Hast du ihr erzählt, daß ich in Wales lebe?«
»Sie weiß, daß du in einer Schäferhütte haust.«
Er warf seine Kippe ins WC, weil er wußte, daß ich diesen Geruch nicht leiden konnte.
Ich legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Diese Woche ist beschissen gewesen, Kumpel.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Wir gehen jetzt zu Kelly rüber und trinken unseren Kaffee aus. Dann ziehst du los und bringst diesen Scheiß mit Simmonds in Ordnung, damit du wieder Ruhe hast.«
»Wie hat der Burger geschmeckt?«
»Gut. Ich habe Euan ein paar Chips aufgehoben.« Ich setzte mich neben sie aufs Bett. »Hör zu, Kelly, Euan und ich haben miteinander geredet, und weil ich hier in London viel zu erledigen habe, halten wir’s für eine gute Idee, wenn du mit Euan aufs Land fährst und bei ihm übernachtest. Nur für eine Nacht, bis ich morgen nachkomme. Was hältst du davon? Hey, dann kannst du sogar den Fußboden sehen, den wir verlegt haben! Weißt du noch, wie ich davon erzählt habe?«
Kellys Gesichtsausdruck zeigte deutlich, daß sie vermutete, keine andere Wahl zu haben.
»Nur für eine Nacht«, sagte ich, »und um Euans Haus herum gibt’s überall Schafe.«
Sie sah auf ihre Hände hinunter und murmelte: »Ich möchte bei dir bleiben.«
»Was, du willst nicht hin?« fragte ich mit gespieltem Überraschung. »Dort gibt’s massenhaft Schafe!«
Kelly wand sich vor Verlegenheit. Sie war zu höflich,
um vor
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