Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
noch?«
»Richtig, wir müssen im Hintergrund bleiben und die Umgebung beobachten.«
Ich beobachtete, wie Euan ausstieg. Es war so wunderbar, ihn zu sehen, daß ich am liebsten aufgesprungen und hinausgerannt wäre. Er trug Jeans und klobige Holzfällerstiefel, im Vergleich zu denen Hush Puppies hochmodisch und elegant gewirkt hätten. Dazu hatte er eine schwarze Bomberjacke aus Nylonsatin an, damit er auf dem Bahnsteig leicht zu erkennen war. »Wir lassen ihm ein paar Minuten Vorsprung«, schlug ich Kelly vor. »Dann gehen wir hinüber und überraschen ihn,
okay?«
»Yeah!« Sie klang ganz aufgeregt. Sie hatte zwei Klumpen Vogelscheiße auf dem Rücken ihres Mantels. Ich wartete darauf, daß das Zeug trocknete, bevor ich es abwischte.
Ich wartete noch fünf Minuten, bis ich sicher war, daß er nicht beschattet wurde. Dann gingen wir zum Bahnhof hinüber und traten unter Bögen hindurch in die Schalterhalle. In dem im viktorianischen Stil erbauten Bahnhof gab es Filialen von W. H. Smith und anderen Einzelhandelsketten. Wir fanden Bahnsteig 3 und sahen Euan an einen Pfeiler gelehnt eine Zeitung lesen. Wieder wäre ich am liebsten losgerannt, um ihn zu umarmen. Wir gingen langsam auf ihn zu.
Euan hob den Kopf und sah mich. Wir lächelten uns zu und sagten wie aus einem Mund: »Hi! Wie geht’s?« Er betrachtete erst mich, dann Kelly, ohne sich nach ihr zu erkundigen; er wußte, daß ich ihm irgendwann erzählen würde, was es mit der Kleinen auf sich hatte. Wir gingen durchs Bahnhofsgebäude zu den Treppen, die zur Themse hinunterführten. Unterwegs begutachtete Euan meine Frisur und versuchte ein Grinsen zu verbergen. »Klasse Haarschnitt!«
Vor dem U-Bahnhof Embankment bestiegen wir ein Taxi. Verfahren sind Verfahren und dienen nur dem eigenen Schutz; sobald man von den bewährten Verfahren abweicht, sind Probleme vorprogrammiert. Um etwaige Verfolger abzuschütteln, ließen wir das Taxi ziemliche Umwege fahren, so daß wir nicht zehn, sondern zwanzig Minuten bis zu Brown’s Hotel brauchten.
Sobald wir in unserem Zimmer waren, stellte ich für Kelly den Fernseher an und telefonierte mit dem Zimmerservice. Wir hatten alle Hunger.
Euan schwatzte bereits mit Kelly. Sie genoß es sichtlich, einen neuen Gesprächspartner zu haben - auch wenn er wieder nur ein erwachsener Mann war. Die beiden schienen sich auf Anhieb gut zu verstehen, und Kelly fühlte sich in seiner Gesellschaft offenbar wohl.
Das Essen wurde serviert: Ein Beefburger mit Chips für Kelly, zwei Club-Sandwiches für uns. »Wir lassen dich jetzt in Ruhe essen«, erklärte ich Kelly. »Wir gehen ins Bad, weil du fernsehen willst und ich mit Euan verschiedene Dinge zu bereden habe. In Ordnung?«
Sie nickte und hatte bereits den Mund voll.
»Bis bald, Kelly«, sagte Euan grinsend. »Laß mir ein paar Chips übrig!«
Wir gingen mit unserem Kaffee und den Sandwiches ins Bad. Die Fernsehgeräusche verstummten, sobald ich die Tür hinter uns schloß.
Ich begann mit meinem Bericht. Euan hörte auf dem Wannenrand sitzend aufmerksam zu. Er war sichtlich erschüttert, als ich von Kev und Marsha erzählte. Ich war bis zu Kellys und meiner Festnahme durch Luther & Co. gekommen, als er mich erstmals unterbrach.
»Scheißkerle! Was sind das für Leute gewesen? Glaubst du, daß sie auch Kev umgelegt haben?«
»Wahrscheinlich.« Ich setzte mich neben ihn. »Kev hat die drei Mörder gekannt. Kelly hat bestätigt, daß Luther mit Kev zusammengearbeitet hat. Unklar ist mir nur, mit wem er telefoniert hat, um >die Sache ins Rollen zu bringen<.«
»Aber du tippst auf Luther?«
Ich nickte. »Weiß der Teufel, wie er ins Gesamtbild paßt, aber ich vermute, daß er auch bei der DEA und ebenfalls korrupt gewesen ist. Bei der DEA scheint’s einige zu geben, die sich mit Drogengeldern bestechen lassen.« Ich berichtete ihm noch von dem nächtlichen Kampf mit McGear und was Frankie de Sabatino und ich in den GIFs auf meiner Diskette entdeckt hatten.
Euan nickte langsam. »Alles hängt also damit zusammen, daß die PIRA harte Drogen nach Europa schmuggelt. Offengehalten wird die Route durch Bestechung, Erpressung und Gewalt. Aber was ist mit McGear - hat er irgendwas gesagt?«
»Kein Wort. Er hat gewußt, daß er sterben würde.«
»Und dieser Sabatino? Hat er auch eine Kopie deiner Diskette?«
Ich lachte. »Du weißt, daß ich dir das nicht sagen werde. Sicherheit geht vor, Kumpel, Sicherheit geht vor!«
»Recht hast du.« Er zuckte mit den Schultern. »Reine
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