Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
Londons aufwecken wurde. Warum, zum Teufel, war es für Simmonds so wichtig, genau zu wissen, wie viele Kopien es gab, und alle in die Hände zu bekommen?
»Glauben Sie mir«, schrie ich, um das Rattern zu übertönen, »diese Seite habe ich völlig unter Kontrolle. Ich bin schon oft genug reingelegt worden. Sie wissen so gut wie ich, daß ich alle schützen muß - auch Sie.«
»Ja, natürlich, aber ich muß über das gesamte Beweismaterial verfügen können. Nicht einmal Sie sollten es haben. Das ist einfach zu riskant.«
So drehten wir uns nur im Kreis. »Okay, das verstehe ich.
Aber was ist, wenn Sie umgelegt werden? Dann könnte ich meine Behauptungen nicht mehr beweisen. Hier geht’s nicht bloß um die Korruption der Amerikaner, verstehen Sie? Diese Sache damals in Gibraltar ist ein abgekartetes Spiel gewesen. Das betrifft auch uns.«
Simmonds nickte langsam zu einer Pfütze im Rinnstein hinunter.
»Ein paar Dinge verstehe ich nicht«, fuhr ich fort. »Warum ist uns gesagt worden, der Sprengsatz sollte ferngezündet werden? Wie konnte es passieren, daß die Akteure bekannt waren, aber niemand gewußt hat, daß überhaupt keine Bombe existierte?«
Er äußerte sich noch immer nicht dazu.
Irgend etwas paßte hier nicht recht zusammen.
Scheiße!
Mir kam es vor, als hätte mich wieder ein Feuerlöscher am Hinterkopf getroffen. Warum war ich bloß nicht früher darauf gekommen? Das Rattern des Güterzugs verhallte allmählich in der Ferne. Die Morgenstille kehrte zurück. »Aber das wissen Sie alles, nicht wahr?«
Keine Antwort. Er behielt sein gleichmäßiges Tempo bei.
Wer hatte uns mitgeteilt, der Sprengsatz in Gibraltar soll ferngezündet werden? Simmonds, der unseren Einsatz von der Zentrale aus überwacht hatte. Verdammt, warum war ich darauf nicht schon früher gekommen?
Ich blieb abrupt stehen. Simmonds ging noch einige Schritt« weiter. »Hier geht’s nicht nur um die PIRA und die Amerikaner, nicht wahr? Die Sache ist viel größer. Und Sie sind darin verwickelt, stimmt’s?«
Auf dieser Seite befanden sich unter den Bahngleisen keine Läden, sondern Handwerksbetriebe: Autowerkstätten, blechverarbeitende Betriebe und mehrere Auslieferungslager, vor denen über Nacht Firmenfahrzeuge parkten. Um uns herum standen Kippmulden für Metallabfälle und große rote Abschleppwagen mit gelben Blinkleuchten auf ihren Fahrerkabinen.
Er drehte sich um und kam die fünf oder sechs Schritte zu mir zurück. Wir sahen uns erstmals in die Augen. »Nick, ich glaube, Sie sollten sich über eines im klaren sein: Sie werden mir alle Informationen geben - und damit meine ich wirklich alle. Wir dürfen nicht riskieren, daß weitere Kopien im Umlauf sind.«
Sein Gesichtsausdruck war jetzt der eines Schachgroßmeisters, der dabei ist, den entscheidenden Spielzug zu machen. Schock und Entsetzen auf meinem Gesicht mußten unverkennbar sein.
»Wir haben den Amerikanern, die fest entschlossen waren, Sie zu liquidieren, nicht unbedingt zugestimmt, Nick, aber Sie sollten wissen, daß wir Sie beseitigen werden, wenn sich das als notwendig erweisen sollte.«
»Wir?«
»Die Sache ist weitreichender, als Sie glauben, Nick. Sie sind intelligent, Sie müssen die politischen und geschäftlichen Folgen eines Waffenstillstands erkennen. Das Bekanntwerden des Materials auf Ihren Disketten würde viel mehr in Unordnung bringen, als Sie bisher ahnen. Das mit Kevin und seiner Familie ist ausgesprochen unglücklich gewesen, das gebe ich zu.
Nachdem er mir von seinen Erkenntnissen erzählt hatte, habe ich versucht, meine amerikanischen Kollegen zu einer gemäßigteren Reaktion zu bewegen.«
Deshalb war ich so plötzlich nach England zurückbeordert worden! Nach seinem Telefongespräch mit Kev wollte Simmonds mich schnellstens aus Washington weghaben. Ich sollte nicht mit Kev reden oder seine Ermordung verhindern können.
Ich dachte an Kelly. Wenigstens war sie in Sicherheit.
Er schien meine Gedanken lesen zu können. »Falls Sie sich dafür entscheiden, mir das Material nicht zu übergeben, bringen wir die Kleine um. Und danach bringen wir Sie um - nachdem wir aus Ihnen herausgeholt haben, was wir brauchen. Seien Sie nicht naiv, Nick. Wir sind einander sehr ähnlich. Hier geht’s nicht um Gefühle, sondern ums Geschäft, Nick, ums Geschäft.« Er betrachtete mich wie ein Vater seinen unfolgsamen Sohn. »Ihnen bleibt wirklich nichts anderes übrig.«
Ich versuchte dagegen anzukämpfen. Er mußte bluffen.
»Euan läßt
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