Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
essen – und wohin das führt, sehen Sie an mir.« Er blickte auf seinen Wanst hinab.
Wir stimmten alle in sein Lachen ein. Ich lachte aus bloßer Erleichterung darüber, überhaupt bis hierher gelangt zu sein.
Wir waren keine wirklich prominenten Besucher, weil unsere Ausweise nicht an Nylonkordeln um den Hals zu tragen waren; auf unseren Ausweisen, die mit Clips befestigt wurden, stand ein schwarzes V auf weißem Grund, das nicht »Visitor«
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(Besucher), sondern »Volunteer« (freiwilliger Helfer) bedeutete. Das gehörte anscheinend zu dem Deal, der
notwendig geworden war, weil heute keine Besucher ins Weiße Haus eingelassen wurden. Josh und Davy hatten sich wirklich große Mühe gegeben, um uns diesen Besuch zu ermöglichen. Das war mir peinlich. Es machte mich noch schuldbewusster, aber das würde ich überleben. Ich hoffte es zumindest.
Unsere Besucherausweise unterschieden sich erheblich von den Dienstausweisen, die Josh und Davy umgehängt trugen.
Auf ihren war das Passfoto blau umrahmt, und sie trugen eine rote Kennziffer. Nachdem wir die Ausweise an unseren Jacken befestigt hatten, klatschte Davy einmal in die Hände. »Okay, Leute, jetzt nur noch die Schleuse.« Er ging um den
Metalldetektor herum und wartete mit Josh auf der anderen Seite, bis wir hindurch waren.
Als wir nacheinander durch das Drehkreuz gingen, wusste ich nicht, welches Gefühl in meinem Inneren stärker war: Siegesfreude darüber, dass die erste Hürde genommen war, oder Besorgnis, weil ich jetzt eingesperrt war und die Uhr ticken zu hören glaubte.
Wir gingen auf der West Executive Avenue nach Norden, befanden uns aber noch nicht auf dem Gelände des Weißen Hauses, das durch einen schmiedeeisernen Zaun von dieser Straße getrennt war. Wir schienen zu einem etwa fünfzig Meter entfernten kleinen Sondereingang für Fußgänger zu wollen, der direkt auf den vorderen Rasen des Weißen Hauses führte. Von hier aus war nur noch ein Teil des hinter dem Hauptgebäude errichteten Zelts zu sehen.
Unter einem Baum stand ein Mann aus dem Emergency
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Response Team, der in sein Funkgerät sprach, während er die Straße und uns beobachtete. Er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet: schwarzer Overall, schwarzes Koppel, schwarze Kevlarweste und Springerstiefel. Dazu trug er eine schwarze Baseballmütze mit dem Aufdruck ERT. An der um den rechten Oberschenkel gebundenen Kordel, die sein Pistolenhalfter fixierte, hatte er einen Piepser befestigt. Seine Hauptwaffe, vermutlich eine MP5, hing an schwarzen Nylongurten vor seiner Brust.
Josh hielt sich zurück, während Davy begann, uns auf dem Weg zu dem Fußgängertor die Sehenswürdigkeiten zu
erklären. »Auch wenn die meisten Leute im Weißen Haus vor allem den Amtssitz des Präsidenten sehen, ist es eigentlich nur ein Bürokomplex. Dort drüben links …«, Sarah und ich blickten wie eine Gruppe japanischer Touristen synchron zum Old Executive Building hinüber, »… hat der Vizepräsident sein Büro – und in diesem Gebäude liegt auch der Raum, in dem die Indianerverträge unterzeichnet worden sind. Der ist wirklich sehr sehenswert, und ich werde versuchen, Sie später dort reinzubringen, vor allem falls unser kleiner Rundgang auf der anderen Seite des Zauns aus irgendwelchen Gründen abgekürzt werden muss.«
Wir gingen auf der Straße zwischen den beiden Gebäuden weiter und hörten zu, wie Davy Boy den Fremdenführer spielte. Je besser man zuhört, desto weniger braucht man selbst zu reden, desto geringer ist das Risiko, etwas Falsches zu sagen, und desto mehr Zeit hat man, um Ausschau nach zwei Kerlen mit dunklem Teint zu halten, die entfernt an Al Gore und Bill Gates erinnerten.
Zwischen den beiden Gebäuden waren zielstrebig Männer in 531
konservativen Anzügen und Frauen in Nadelstreifenkostümen unterwegs – alle mit ihrem Dienstausweis an einer
Nylonkordel um den Hals. Strom- und Fernsehkabel
schlängelten sich über den Asphalt, und am Ende der Straße, wo sie in die Pennsylvania Avenue mündete, parkten dicht gedrängt Dutzende von Übertragungswagen.
Als wir bis auf zehn Meter an das Fußgängertor
herangekommen waren, sah ich erstmals die Reportermeute auf dem Rasen des Weißen Hauses. Ich wechselte einen Blick mit Sarah. Sie hatte die Reporter natürlich auch gesehen.
Aufgespannte bunte Sonnenschirme sorgten dafür, dass die Kameraobjektive im Schatten lagen. Scheinwerfer auf Stativen standen bereit, um die Gesichter der Fernsehreporter auszuleuchten,
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