Nick Stone - 02 - Doppeltes Spiel
Als wir von einem Tagesausflug zurückkamen und beide nach unseren in den Socken versteckten Magnetkarten angelten, beugte sie sich zu mir hinüber und flüsterte: »Was ist, Schätzchen, willst du ficken, oder was?«
Als wir drei Wochen später mit dem Rest des Teams wieder 155
in Pakistan waren, spielten wir nicht länger ein Paar, sondern waren es wirklich. Ich träumte sogar davon, wir könnten nach diesem Auftrag zusammenbleiben. Ich war seit vier Jahren verheiratet, und unsere Ehe war nie besonders glücklich gewesen. Jetzt war ich erst recht unglücklich. Mit Sarah konnte ich reden, von ihr konnte ich Dinge lernen, die mir bislang unbekannt gewesen waren. Bis dahin hatte ich Così fan tutte für eine italienische Eissorte gehalten. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben richtig verliebt. Und noch besser: Ich glaubte zu spüren, dass Sarah meine Gefühle erwiderte. Allerdings hatte ich nicht den Mut, sie danach zu fragen; meine Angst vor einer Zurückweisung war zu groß.
Nach unserem Einsatz in Afghanistan flogen wir von Delhi aus zurück und befanden uns längst im Anflug auf Heathrow, als ich den Mut aufbrachte, ihr die entscheidende Frage zu stellen. Ich wusste noch immer nicht allzu viel über sie, aber das spielte keine Rolle; ich hatte nur das Bedürfnis, mit ihr zusammen zu sein. Ich kam mir vor wie ein Kind, das nicht weiß, ob seine Eltern, die es abgesetzt haben, jemals zurückkommen werden. Mut oder Verzweiflung beflügelte mich, als ich BA-Zeitschrift blätternd scheinbar ganz nonchalant fragte: »Wir sehen uns auch weiterhin, stimmt’s?«
Meine Angst, zurückgewiesen zu werden, verflog, als sie sagte: »Natürlich.« Aber dann fügte sie hinzu: »Wir müssen noch gemeinsam über unsere Erfahrungen berichten.«
Ich dachte, sie hätte mich missverstanden. »Nein, nein …
ich habe gehofft, wir könnten uns auch später gelegentlich treffen … außerdienstlich, meine ich.«
Sarah wandte sich mir zu, und ich sah den ungläubigen 156
Blick, mit dem sie mich musterte. »Das wäre wenig ratsam, nicht wahr?«
Sie schien zu merken, wie verwirrt ich war. »Komm schon, Nick, wir sind schließlich kein Liebespaar oder dergleichen.
Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, und das war großartig.«
Ich konnte es nicht ertragen, Sarah anzusehen, deshalb starrte ich weiter die Seite an. Scheiße, so elend hatte ich mich noch nie im Leben gefühlt. Ich kam mir wie jemand vor, der zu einer Routineuntersuchung geht und von seinem Arzt erfährt, dass ihm ein langsamer, qualvoller Tod bevorsteht.
»Hör zu, Nick …« Ihr Tonfall klang nicht im Geringsten bedauernd. »Wir hatten einen Auftrag, den wir erfolgreich abgeschlossen haben. Das bedeutet, dass wir alle Erfolg gehabt haben. Du hast bekommen, was du wolltest – und ich natürlich auch.« Sie machte eine Pause. »Also, je intimer wir
miteinander waren, desto eifriger würdest du mich beschützen, nicht wahr? Habe ich Recht?«
Ich nickte stumm. Sie hatte Recht. Ich hätte mich für sie in Stücke hauen lassen.
Bevor sie weitersprechen konnte, tat ich, was sich seit meiner Kindheit bewährt hatte: Ich blendete einfach alles aus.
Ich sah sie an, als hätte ich sie nur zu einem Drink eingeladen, und sagte: »Okay, ich wollte bloß mal fragen.« Ich war noch nie so beiläufig abgefertigt worden. Am liebsten hätte ich mich dafür geohrfeigt, dass ich auch nur davon geträumt hatte, sie könnte mit mir zusammen sein wollen. Für wen zum Teufel hielt ich mich überhaupt? Ich war wirklich nicht ganz richtig im Kopf.
Kaum vier Wochen nach unserer Landung in Heathrow
157
verließ ich meine Frau. Wir lebten nur nebeneinander her, und es kam mir schäbig vor, mit ihr zu schlafen und dabei an Sarah zu denken.
Als der Einsatz in Syrien kam, wusste ich nicht, dass Sarah daran teilnehmen würde. Wir trafen uns zum Befehlsempfang in London, diesmal in fast luxuriöser Umgebung – in Vauxhall Cross, der neuen SIS-Zentrale mit Blick über die Themse.
Sarah begrüßte mich freundlich distanziert, als sei zwischen uns nie etwas vorgefallen. Aus ihrer Sicht vielleicht nicht, aber aus meiner sehr wohl. Mein Vorsatz stand fest: Ich würde mich niemals wieder von ihr oder irgendeiner anderen Frau reinlegen lassen.
Ich setzte mich auf dem Bett auf und legte den Deckel wieder auf den Schuhkarton. Das alles hatte Zeit bis später. Ich musste weiter versuchen, ein Gefühl für die Atmosphäre dieser Wohnung zu bekommen.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher